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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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oder
    finnisch, jedenfalls herrliche Farben -, legte sie dem Vater über die Schultern, kniete sich zu andächtigem Lauschen wieder hin, während die Mutter in der Küche - ›Bleibt ihr nur draußen, Kinder, bitte, es ist ein so herrlicher Nachmittag und so harmonisch‹ - würzig schmackhafte Schnittchen zurechtmachte, bunte Salate mischte.
    Die Vorstellung von Nettlinger ergab ein genaueres Bild als die Begegnung mit ihm; wie er die Lendenschnitte in sich hineinbefördert hatte, den besten, besten, allerbesten Wein dazu trinkend, schon in Nachdenken versunken, ob Käse, Eis, Kuchen oder ein Omelett dieses Mahl am würdigsten krönen würde.
    ›Eins, meine Herren‹, hatte der ehemalige Botschaftsrat gesagt, der den Kursus ›Wie werde ich Feinschmecker?‹ abhielt - ›Eins,
    meine Herren, müssen Sie nun selbst dem Gelernten hinzufügen, einen Hauch, nur einen Hauch von Originalität.‹
    Er hatte es in England an die Tafel geschrieben: ›er hätte getötet werden müssen‹; fünfzehn Jahre lang das Xylophon der Sprache bedient: ich lebe, ich lebte, ich habe gelebt, ich hatte gelebt, ich werde leben. Werde ich leben? Er hatte nie begriffen, daß es Menschen gab, die sich über der Grammatik langweilen konnten. Er wird umgebracht, er wurde umgebracht, er ist umgebracht worden, er wird umgebracht werden; wer wird ihn umbringen? Mein ist die Rache, hat der Herr gesagt.
    »Endstation, der Herr, Hauptbahnhof.«
    Das Gedränge war nicht geringer geworden: wer war hier Ankommender, wer Abfahrender? Warum blieben sie nicht alle zu Hause? Wann fuhr der Zug nach Ostende; oder vielleicht auch Italien, Frankreich; irgend jemand würde auch dort zu lernen begehren: ich lebe, ich lebte, ich habe gelebt; er wird getötet werden; wer wird ihn töten?
    Hotelzimmer? Welche Preislage? Billig? Spürbar ließ die Freundlichkeit der jungen Dame nach, die den hübschen Finger an der Liste entlangführte; offenbar galt es in diesem Lande als
    Sünde, nach dem Preis zu fragen. Immer das Beste - das Teuerste ist das Billigste; Irrtum, hübsches Kind, das Billige ist das Billigere, tatsächlich, laß nur deinen hübschen Finger bis auf die unterste Stufe der Liste gleiten. ›Pension Modern.‹ Sieben Mark. Ohne Frühstück. Nein danke, ic h kenne den Weg zur Modestgasse, wirklich, ich kenne ihn, Numero Sechzehn, das ist gleich neben dem Tor.
    Als er um die Ecke bog, lief er fast gegen den Keiler, schrak vor der Masse des dunkelgrauen Tieres zurück und wäre fast an Roberts Haus vorbeigegangen; hier war die Erinnerung nicht in Gefahr: nur einmal war er hier gewesen; Modestgasse 8; er blieb vor dem blanken Messingschild stehen, las: ›Dr. Robert Fähmel, Büro für statische Berechnungen, nachmittags geschlossen; er zitterte, als er auf den Klingelknopf drückte: wovon er nicht Zeuge gewesen, was nicht mit Requisiten gespielt worden war, die er kannte, traf ihn heftiger: hinter dieser Tür war Edith gestorben, in diesem Haus waren ihre Kinder geboren, wohnte Robert; am Geräusch der drinnen ertönenden Klingel erkannte er schon, daß niemand öffnen würde, das Geräusch der Klingel drinnen mischte sich mit dem des Telefons, der Boy im Hotel Prinz Heinrich hat sein Wort gehalten; ich werde ihm ein gutes Trinkgeld geben, wenn wir dort Billard spielen.
    Nur vier Häuser weiter die Pension Modern. Endlich daheim; zum Glück kein Essensgeruch in der winzigen Diele. Frische Bettwäsche für ein müdes Haupt. »Ja, danke, ich finde es schon.« »Im zweiten Stock die dritte Tür links, Vorsicht beim Treppensteigen, der Herr, die Teppichstangen sind an einigen Stellen lose, es gibt so wüste Gäste; Sie wollen nicht geweckt werden? Und noch eine Kleinigkeit, bitte; würden Sie im voraus zahlen, oder kommt noch Gepäck? Nein? Also bitte, achtmarkundfünf, einschließlich Bedienung; leider bin ich zu solchen Vorsichtsmaßregeln gezwungen, mein Herr; Sie glauben gar nicht, wieviel Gesindel es auf der Welt gibt; anständigen
    Menschen muß man dann mißtrauisch kommen, so geht es; und
    manche bringen es fertig, sich noch die Bettwäsche um den Le ib zu binden, sich aus den Kopfkissenbezügen Taschentücher zurechtzuschneiden; wenn Sie wüßten, was man so alles erlebt; keine Quittung? Desto besser, die Steuer frißt einem sowieso die Haare vom Kopf. Sie erwarten doch sicher Besuch, Ihre Frau, nicht wahr; ich werde sie nach oben schicken, keine Sorge...«

10

    Seine Angst war unbegründet gewesen: Erinnerung wurde nicht Gefühl, blieb Formel, rann

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