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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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gewichtige Punkte gewesen sein mußten, fand nur noch eins, ein einziges kleines X im Keller des Gästehauses, so unverkennbar seine Handschrift, wie sein Gesicht, sein Gang unverkennbar waren, sein Lächeln und die strenge Liebenswürdigkeit seiner Bewegungen, wenn er Wein einschenkte, Brot über den Tisch reichte; sein kleines X; Dr. Robert Fähmel: Büro für statische Berechnungen.
    »Bitte, bitte«, sagte Marianne, »komm doch zu dir.«
    »Ich bin bei mir«, sagte er, ließ den Gashebel los, setzte den linken Fuß auf die Kupplung, den rechten auf die Bremse, drückte; knirschend, hin und her rutschend, schob sich das Auto aufs große O von TOD zu, wirbelte Staub auf, die Bremsen schrieen, aufgeregte Spaziergänger kamen mit fuchtelnd
    erhobenen Armen, ein müder Nachtwächter mit dem Kaffeetopf
    in der Hand wurde sichtbar, zwischen TOD und gekreuztem Schultergebein.
    »O Gott«, sagte Marianne, »warum mußt du mich so erschrecken.«
    »Verzeih«, sagte er leise, »bitte, verzeih, es ist einfach mit mir durchgegangen.« Er wendete rasch, fuhr los, bevor die Spaziergänger sich ums Auto sammeln konnten, vier Kilometer, mit der linken Hand steuernd, die rechte um Marianne gelegt, in friedlichem Tempo am Go lfplatz vorbei, wo drahtige Frauen neben drahtigen Männern dem sechzehnten, siebzehnten, achtzehnten Loch zustrebten.
    »Verzeih«, sagte er, »ich tu's wirklich nicht wieder«, schwenkte von der Autobahn ab, fuhr zwischen lieblichen Feldern, an stillen Waldrändern entlang.
    XYZ, es waren dieselben Zeichen, die er auf den präzisen, doppeltpostkartengroßen Fotokopien entdeckte, mit denen sein Vater abends wie mit Spielkarten spielte; Haus für einen Verleger am Waldrand - XxX; Erweiterungsbau für die
    ›Societas, die Gemeinnützigste der Gemeinnützigen‹ - YxY; Haus für einen Lehrer am Flußufer - nur Y; zwischen Sankt Johanns und Sankt Peters Fuß.
    Langsam fuhr er zwischen Feldern dahin, wo sich die dicken Rüben schon unter gewaltigen grünen Blättern herausdrängten; Stoppelfelder, Wiesen, hinter denen schon der Kosakenhügel sichtbar wurde.
    »Warum willst du es mir nicht sagen«, fragte Marianne.
    »Weil ich es selbst noch nicht verstehe, weil ich es noch gar nicht für wahr halte; vielleicht ist es nur ein absurder Traum; vielleicht kann ich's dir später erklären, vielleicht auch nie.«
    »Aber Architekt willst du nicht werden?«
    »Nein«, sagte er.
    »Bist du deswegen so auf das Schild zugefahren?«
    »Vielleicht«, sagte er.
    »Immer habe ich Menschen gehaßt, die nicht wissen, was Geld ist«, sagte Marianne, »die unsinnig schnell mit Autos durch die Gegend fahren, auf Schilder zu, auf denen TOD steht; die ohne jeden Grund die Leute in Unruhe versetzen, die ihren wohlverdienten Feierabendspaziergang machen.«
    »Ich hatte schon einen Grund, schnell auf das Schild zuzufahren.« Er fuhr langsamer, hielt auf einem sandigen Weg am Rand des Kosakenhügels, parkte das Auto unter herabhängenden Kiefernzweigen.
    »Was willst du hier?« fragte sie.
    »Komm«, sagte er, »wir gehen noch ein bißchen spazieren.«
    »Es wird zu spät«, sagte sie, »dein Großvater wird sicher mit dem Halb-fünf- Uhr-Zug kommen; es ist schon zehn vor halb.«
    Joseph stieg aus, lief ein paar Schritte den Hügel hinauf, hielt sich die Hand vor die Augen und blickte in Richtung Denklingen.
    »Ja«, rief er, »ich sehe den Zug schon von Dodringen kommen, immer noch die alte Puff-Puff wie in meiner Kindheit, und immer noch um die gleiche Zeit. Komm, sie werden wohl eine Viertelstunde warten können.«
    Er lief zum Auto zurück, zog Marianne vom Sitz, am Arm hinter sich her den Sandweg hinauf; sie setzten sich in eine Lichtung; Joseph deutete in die Ebene, verfolgte mit seinem Finger den Zug, der sich durch Rübenäcker, zwischen Wiesen und Stoppelfeldern hin auf Kisslingen zu bewegte.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen«, sagte er, »wie gut ich diese Dörfer kenne; wie oft wir mit diesem Zug hinausgekommen sind; nach Mutters Tod sind wir fast immer in Stehlingen oder Görlingen gewesen, und ich bin in Kisslingen in die Schule gegangen; abends liefen wir zum Zug, mit dem Großvater aus der Stadt kam, zu dem Zug da, siehst du, jetzt
    fährt er gerade in Denklingen ab; merkwürdig, und ich hatte immer das Gefühl, wir wären arm; solange meine Mutter noch lebte und Großmutter bei uns war, bekamen wir weniger zu essen als die Kinder, die wir kannten, und ich durfte nie gute Kleider tragen; nur umgearbeitete Sachen - und

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