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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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ist eine Schande, aber vielleicht war es der Wille Gottes‹, und Frau Kloschgrabe sagte: ›Es gibt auch solche, die den Willen des Teufels tun‹; Vater lachte, und auch der amerikanische Offizier lachte; Vater war lieb zu uns, und ich sah ihn zum ersten Mal weinen, als er wieder wegmußte; ich hatte nicht geglaubt, daß er weinen könnte; er war immer still gewesen und hatte keine Gefühle gezeigt; auch, wenn er aus dem Urlaub zurückfahren mußte und wir ihn zum Bahnhof brachten, weinte er nie; wir weinten alle, Mutter und Großmutter, Großvater und wir, aber er nicht - da«, sagte Joseph, und zeigte auf die Rauchfahne des Zuges, »eben sind sie in Kisslingen angekommen.«
    »Jetzt wird er ins Kloster hinübergehen und erfahren, was du ihm eigentlich selbst sagen müßtest.«
    Ich wusch die Kreidezeichen ab zwischen Sankt Johanns und Peters Fuß und das kleine x im Keller des Gästehauses; er wird es nicht finden, nie entdecken, von mir nicht erfahren.
    »Drei Tage lang«, sagte er, »verlief die Front zwischen Denklingen und der Stadt, und wir beteten abends mit Frau Kloschgrabe um Großvaters Gesundheit; dann kam er abends aus der Stadt, er war blaß und traurig, wie ich ihn noch nie gesehen hatte, er ging mit uns durch die Trümmer der Abtei, murmelte, was auch die Bauern gemurmelt, was Großmutter immer im Luftschutzkeller gemurmelt hatte: wozuwozuwozu?«
    »Wie glücklich muß er da sein, daß du beim Aufbau der Abtei hilfst.«
    »Ja«, sagte Joseph, »ich kann ihm dieses Glück nicht erhalten; frag nicht, warum, ich kann nicht.«
    Er küßte sie, strich ihr die Haare hinters Ohr, kämmte mit gespreizten Fingern Fichtennadeln und Sandkörner heraus.
    »Vater kam früh aus der Gefangenschaft und holte uns in die Stadt, obwohl Großvater protestierte und sagte, es wäre besser für uns, nicht in den Trümmern aufzuwachsen, aber Vater sagte:
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    ›Ich kann auf dem Land nicht leben, und ich will jetzt die Kinder bei mir haben, ich kenne sie ja kaum.‹ Wir kannten ihn auch nicht und hatten zuerst Angst vor ihm, und wir spürten, daß auch Großvater Angst vor ihm hatte. Wir wohnten damals alle in Großvaters Atelier, weil unser Haus nicht bewohnbar war, und an der Wand im Atelier hing ein riesiger Stadtplan; alles, was zerstört war, war mit dicker schwarzer Kreide gekennzeichnet, und wir hörten oft zu, wenn wir an Großvaters Zeichentisch Schularbeiten machten und Vater mit Großvater und anderen Männern vor der Karte stand. Es gab oft Streit, denn Vater sagte immer: ›Weg damit - sprengen‹, und zeichnete ein X neben einen schwarzen Klecks, und die anderen sagten immer: ›Um Gottes willen, das können wir doch nicht tun‹, und Vater sagte:
    ›Tun Sie's, bevor die Leute in die Stadt zurückkommen. - Jetzt ist noch alles unbewohnt und Sie brauchen keine Rücksichten zu nehmen; rasieren Sie das alles weg.‹ Und die anderen sagten:
    ›Da ist doch noch der Rest eines Fenstersturzes aus dem sechzehnten Jahrhundert, und da noch der Teil einer Kapelle aus dem zwölftem; und Vater warf die schwarze Kreide hin und sagte: ›Gut, machen Sie, was Sie wollen, aber ich sag Ihnen, Sie werden's bereuen - machen Sie, was Sie wollen, aber dann ohne mich‹, und sie sagten: ›Aber lieber Herr Fähmel, Sie sind unser bester Sprengspezialist, Sie können uns doch nicht im Stich lassen‹; Vater sagte: ›Aber ich lasse Sie im Stich, wenn ich auf jeden Hühnerstall aus der Römerzeit Rücksicht nehmen muß; Mauern sind für mich Mauern, und glauben Sie mir, es gibt darunter gute und schlechte Mauern; weg mit dem Mist.
    Sprengen Sie und schaffen Sie Luft.‹ Großvater lachte, als sie gegangen waren, und sagte: ›Mein Gott, du mußt doch ihre Gefühle verstehen‹; und Vater lachte: ›Ich verstehe ihre Gefühle sogar, aber ich respektiere sie nicht‹; und dann sagte er:
    ›Kommt, Kinder, wir gehen Schokolade kaufen‹, und er ging mit uns auf den Schwarzmarkt, kaufte sich Zigaretten und uns Schokolade, und wir krochen mit ihm in dunkle, halb zerstörte
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    Hauseingänge hinein, stiegen Treppen hinauf, weil er auch noch für Großvater Zigarren kaufen wollte; er kaufte immer, verkaufte aber nie; wenn wir von Stehlingen oder Görlingen Brot oder Butter bekamen, mußten wir seinen Teil mit in die Schule nehmen, und er überließ es uns, wem wir's schenken wollten, und einmal kauften wir Butter, die wir verschenkt hatten, auf dem Schwarzmarkt zurück, es lag noch der Zettel von Frau Kloschgrabe dabei, sie hatte

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