Bille und Zottel 08 - Ein Filmstar mit vier Beinen
trugen Uniform und hatten eine unnatürlich frische Gesichtsfarbe. Ein Mann im weißen Kittel wieselte heran und legte den drei Uniformierten Papierlätzchen um den Kragen, vermutlich um die kostbaren Uniformen nicht mit Schminke zu beschmutzen.
Das Mädchen mit den schmuddligen Spaghettihaaren hockte auf einem Klappstühlchen und trug Zahlen in ein Formular ein. Der Regisseur — Bille hatte inzwischen erfahren, daß sein Name Schreiner war — sah wieder aus wie ein Hafenarbeiter und futterte Zitronenbonbons aus einer Tüte. Dabei war sein Blick träumerisch in die Ferne gerichtet, während vier Leute zugleich auf ihn einredeten und ihm alles mögliche zu zeigen versuchten.
„Weg da, weg da!“
Bille wurde unsanft zur Seite geschoben. Ein Beleuchter schleppte einen Scheinwerfer in den Nebenraum, ein hohlwangiger Jüngling mit schulterlangen Haaren trug blitzende Metallkoffer nach draußen.
Am anderen Ende des Raumes entdeckte Bille Tom, der sich königlich über dieses Durcheinander zu amüsieren schien. Er sah ihr eifriges Winken und kam zu ihr herüber.
„Das ist ein Zirkus, was?“
„Kann man wohl sagen.“
„Komm, wir gehen rauf, hier ist jetzt doch nichts los. Bis die den Umbau für die nächste Szene gemacht haben, vergeht mindestens eine halbe Stunde. Bist du mit Zottel hier?“
„Ja.“
„Schade. Du hättest sonst mit uns im Auto fahren können, wenn wir nach Peershof rüber müssen. Na ja, von der Filmerei wirst du noch mehr als genug zu sehen kriegen.“
Sie stiegen die Treppe in den ersten Stock hinauf, und Tom schloß die Tür zum linken Flur auf. In diesen Bereich des Hauses hatten sein Vater und er sich für die Dauer der Filmarbeiten zurückgezogen.
„Ich denke, es reicht noch für einen Drink. Magst du eine Cola?“
„Immer.“
„Komm, ich zeig dir meine neuen Kassetten.“
„Hat Daddy sich nicht hingelegt?“
„Doch, das tut er immer, seit er sich bei dem Unfall das kaputte Kreuz geholt hat. Wir müssen eben leise spielen.“
Tom holte zwei Flaschen Cola aus dem Kühlschrank, dann hockten sie sich auf den Fußboden und hatten bald Film und alles andere um sich herum vergessen.
„Du mußt dich jetzt wohl auf den Weg machen“, sagte Tom schließlich. „Wenn du noch vor uns in Peershof sein willst.“
Bille sah erschrocken auf ihre Armbanduhr.
„Du lieber Himmel, schon so spät! Und ich muß noch zwei Pferde putzen. Du, ich flitze gleich los. Danke schön für die Cola!“
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang sie die Treppe hinunter und drängte sich durch die an der Tür Wartenden.
„ Pssst !“ machte jemand ärgerlich, aber Bille hörte es nicht.
Jemand faßte nach ihrem Arm, erwischte ihn aber nicht, Bille stürmte weiter, riß die Tür auf und war schon draußen.
„Welcher Idiot latscht mir denn da durchs Bild?“ kreischte der Kameramann.
„Aus!“ brüllte der Regisseur. „Schlaft ihr da drinnen, oder was ist los?“
Bille schaute sich verwirrt um. Vor ihr standen zwei Soldaten, die die Tür eines Kübelwagens offenhielten und bei Billes Auftritt glucksend in sich hineinzulachen begannen.
Hinter Bille erschien der Hohlwangige und stammelte eine Entschuldigung.
„Sie war so schnell, ich hab sie nicht mehr erwischt!“
„Ich glaube, ich träume!“ wetterte der Regisseur. „Da drinnen stehen mindestens ein halbes Dutzend Leute, die nichts anderes zu tun haben, als aufzupassen, daß niemand in die Szene rennt. Also, noch mal das Ganze.“
„Entschuldigen Sie bitte!“ stotterte Bille. „Es tut mir sehr leid. Ich habe nicht gewußt, daß gerade hier
„Schon gut, war nicht deine Schuld.“ Der Regisseur machte eine Bewegung, als wolle er sie aus dem Bild wischen, und Bille verdrückte sich schleunigst.
„Alles fertig?“
„Wir können!“ kam es von drinnen.
„Dann Ton ab!“
Mehr hörte Bille nicht mehr. So gern sie noch ein paar Minuten geopfert hätte — jetzt war es höchste Zeit, aufzubrechen. In gestrecktem Galopp ritt sie auf Peershof zu.
„Na? Wie war’s?“ stürzte sich Bettina auf sie, als Bille aus dem Sattel rutschte und dem schweißnassen Zottel beruhigend den Hals klopfte.
„Irre! Ich hab bereits die erste Szene geschmissen!“
„Du hast was?“
„Eine Szene versaut. Der General sollte aus dem Haus kommen und in den wartenden Wagen steigen. Statt dessen kam ich und flog den Soldaten so quasi in die Arme.“
„Und warum hast du das gemacht?“ fragte Bettina kopfschüttelnd. „Wolltest du mit aller
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