Bille und Zottel 10 - Im Hauptfach Reiten
Wedenbruck seit zwanzig Jahren gegeben hatte, und es lieferte noch ausreichend Gesprächsstoff für die kommenden Generationen.
Tagelang hatten Bille und ihre Freunde mit den Ponys Vierspännigfahren geübt. Eine Weile hatte es Diskussionen darüber gegeben, ob man lieber Bongo oder Moischele ins Gespann nehmen solle. Bongo stach in der Farbe von den anderen ab, Moischele in der Größe, genauer gesagt, in seiner Winzigkeit. Schließlich entschieden sie sich dafür, Bongo ins Geschirr zu nehmen und Moischele mit Blumenkörben beladen vorauslaufen zu lassen — zusammen mit den Blumenstreuenden Kindern.
„Wie wär’s, wenn wir Bongo weiß schminkten?“ fragte Bettina augenzwinkernd.
„Kommt überhaupt nicht in Frage!“ zeterte Florian sofort los. „Und ich hab hinterher die Sauerei mit dem Putzen!“
„Reg dich nicht auf, Flori, wir werden das Gespann sowieso üppig mit Blumen und Zweigen behängen, daß keiner die Farbe der Ponys genau erkennen kann. “
Bettina behielt recht . Eine ganze Wagenladung von Blumen holten sie zusammen und stürzten sich mit Feuereifer auf das Schmücken der Kutsche und der fünf Ponys. Als das Werk vollendet war, hatte man Mühe, unter den mit Blüten besteckten Schabracken und flatternden Bändern, dem üppigen Kopfschmuck aus Schleifen, Blumen und bunten Federn ein Stückchen Fell zu entdecken. Die Ponys standen so breitbeinig und steif da, als hätte man sie in Ritterrüstungen gesteckt. Ein Wunder, daß sie sich die Prozedur so geduldig gefallen ließen.
Florian und Simon hatten aus der Zeit ihres Großvaters alte Kutscherlivreen aufgetrieben, die Frau Henrich in einer Truhe auf dem Speicher aufbewahrt hatte. Sie stanken zwar so nach Mottenpulver, daß Simon niesen mußte, aber das störte den festlichen Anblick ihres Aufzugs kaum, zumal Simon sein Gesicht hinter einem eleganten weißen Spitzentuch verborgen hatte.
Bille trug ihren Turnierdress und führte Moischele. Bettina, Tom und Daniel ritten in roten Röcken hinter dem Wagen und bildeten sozusagen die Nachhut.
Die Braut war für diese Nacht mit ihrer zahlreichen Verwandtschaft im Krug abgestiegen. Dort sollte sie von Hubert abgeholt und zur Kirche geleitet werden.
Als Bille und ihre Freunde mit der Hochzeitskutsche vor dem Brodersenschen Hof hielten, stand Hubert bereits am Tor. Seine Gesichtsfarbe erinnerte ein wenig an frischen Quark, und der schwarze Anzug bereitete ihm offensichtlich Beklemmungen. Seine Schultern rührten unruhig gegen den straffen Stoff an, und immer wieder fuhr er sich nervös mit dem Zeigefinger unter den Kragen, um sich wenigstens dort etwas Luft zu verschaffen. Mutter Brodersen fand immer wieder einen Fussel auf dem makellos sauberen Jackett ihres Sohnes. Karlchen, Huberts jüngerer Bruder, redete ihm Mut zu. Und Vater Brodersen kämpfte seinerseits mit dem zu eng gewordenen Hosenbund seines Festanzugs. Dutzende von Dorfbewohnern standen herum, um dem aufgeregten Bräuti-gam Zuspruch und seelische Tröstung zuteil werden zu lassen.
Der prächtig geschmückte Vierspänner lenkte Hubert einen Augenblick von seinen Nöten ab.
„Dunnerlittchen, habt ihr das hingekriegt! So schön hab ich mir das gar nicht vorgestellt. Brunis Leute werden Augen machen!“
Hubert und Vater Brodersen bestiegen die Kutsche, um die Braut abzuholen. Alle übrigen gingen zu Fuß zur Kirche hinüber, mehr oder weniger eilig, um sich einen guten Platz zu sichern. Simon verhinderte im letzten Moment, daß Vater Brodersen sich auf den Brautstrauß setzte, den Hubert neben sich auf die Bank gelegt hatte — dann konnte es losgehen.
Bruni sah aus wie ein praller rotbackiger Apfel in einem Berg von Schlagsahne. Hubert wurde es gleich noch ein bißchen enger in seinem Hochzeitsanzug vor lauter Glück. Simon sprang vom Kutschbock und half dem vor Aufregung zitternden Bräutigam aus dem Wagen. Dann drückte er ihm den Brautstrauß in den Arm und schob ihn sanft in Richtung der wartenden Braut.
„Du mußt ihr den Strauß übergeben und sie zum Wagen führen!“ flüsterte er. Denn Hubert stand immer noch da und starrte seine Bruni an, als wäre sie eine Luxus-Geschenkpackung, die unmöglich für ihn bestimmt sein konnte.
„Mädchen, du bist einfach ’ne Wucht!“ stammelte er und streckte ihr den Brautstrauß entgegen. „Na, denn komm man, nu wird’s ernst.“
Bruni strahlte. Simon half ihr, die üppigen Falten des Kleides und die lange Schleppe in der Kutsche unterzubringen, dann ging es feierlich zur
Weitere Kostenlose Bücher