Bille und Zottel 10 - Im Hauptfach Reiten

Umgebung — ihr fremd waren, geriet sie mehr und mehr in Panik.
    Franca schluchzte auf. Sie war vor Entsetzen wie gelähmt. Die anderen reckten die Hälse und versuchten, von dem Schauspiel da draußen wenigstens etwas mitzubekommen. Bille juckte es in den Füßen, einfach aufzuspringen und hinauszulaufen, aber Ignaz der Schreckliche sah nicht aus, als ob er Verständnis für ein solches Verhalten aufzubringen vermochte.
    Doch jetzt geschah etwas Unerwartetes. Die drei Männer im Park schienen das kopflos hin und her stürmende Pferd eingekreist zu haben. Bille konnte am breiten Rücken des Lehrers vorbei einen Blick auf die Gruppe erhaschen, die sich langsam auf die Stute zubewegte, mit ausgestreckten Armen und bereit, blitzschnell nach ihrem Halfter zu greifen. Doch im letzten Augenblick, Herr Toellmann sprang gerade auf sie zu, bäumte sie sich auf, stieg und raste den Weg zurück, den sie gekommen war — genau auf das Fenster zu, an dem Ignaz der Schreckliche stand.
    Keiner begriff im ersten Augenblick, was passierte. Die Schüler nicht und noch weniger das erregte Pferd. Am wenigsten die Männer hinten im Park. Ignaz der Schreckliche war mit einem gewaltigen Satz über Fensterbrett und Sträu-cher gesprungen und genau vor der fliehenden Stute gelandet. Die stand, alle vier Beine in den Boden gestemmt, wie erstarrt vor diesem Hindernis, das da scheinbar direkt aus dem Himmel vor ihr niedergegangen war. Ignaz der Schreckliche griff behutsam nach dem Halfter und trat auf das schweißnasse Tier zu. Er redete sanft auf die Stute ein, streichelte sie wieder und wieder, und langsam ließ die Spannung in dem zitternden Pferdekörper nach.
    „Was für Pranken er hat!“ flüsterte Bille überwältigt. „Und wie zart er damit umgehen kann! Schau, wie ruhig sie wird, wie sie schnaubt und sich schüttelt, als wäre alles nur ein Spiel gewesen. Was er wohl mit ihr redet?“
    „Einsame Spitze!“ murmelte Peter auf Billes anderer Seite. „Ehrlich, das hätte ich ihm nicht zugetraut.“
    Ignaz der Schreckliche vergewisserte sich, daß die Stute sich nun vollkommen beruhigt hatte und übergab sie Herrn Toellmann. Dann wandte er sich um, nahm kurz Maß und sprang auf dem gleichen Wege, auf dem er den Klassenraum verlassen hatte, wieder hinein. Alle Augen starrten ihm fassungslos entgegen.
    „Ist was?“ fragte Ignaz der Schreckliche. „Lassen Sie sich nicht stören. In zehn Minuten sammeln wir ein.“

Ein Pony kommt selten allein

    „Wenn ich’s mir überlege — eigentlich finde ich es herrlich, daß wir jetzt so viel mehr Pferde in Groß-Willmsdorf haben!“ stellte Bille fest. „Alle Boxen, alle Koppeln sind belegt. W 7 o du hinsiehst: Rappen, Braune, Füchse, Schimmel! Bei uns ist wirklich was los!“
    „Die Neuzugänge können sich neben unseren Pferden wirklich sehen lassen“, stimmte ihr Simon zu. „Die Schulpferde sind alle ausgezeichnet. Und dann die Gastpferde! Nicos Sylvester, Francas Donata — und die kleine Stute aus Polen zum Beispiel, alles erstklassige Pferde.“
    Bille klopfte Black Arrow zärtlich den Hals.
    „Trotzdem bleibst du mein Star, Blacky Boy. Das war ein herrlicher Ausritt, wie? So im Jagdgalopp über die Stoppelfelder
    Wie zur Antwort schnaubte Feodora, die schöne Schwarzschimmelstute, die Simon ritt, begeistert und schüttelte heftig die Mähne. Sie genoß den Ausflug wie ein Kind einen schulfreien Tag.
    Im Schritt ritten sie zwischen den Koppeln auf den Stall zu. Die Stuten hoben neugierig die Köpfe und grüßten wiehernd herüber, mit gespitzten Ohren kamen zwei Fohlen heran.
    „Oh!“ sagte Bille plötzlich und wendete. „Laß uns lieber außen rum reiten.“
    Simon ritt ihr kopfschüttelnd nach.
    „Was ist denn los? Hast du einen deiner gefürchteten Lehrer gesehen?“
    Bille lächelte verschmitzt.
    „Irrtum, mein Lieber. Ich wollte nur nicht stören. Die Freistunden im Internat sind knapp genug „Ich verstehe kein Wort.“
    „Nico und Florian. Sie saßen hinter der Koppel unter dem Holunderstrauch. “
    „Ja, dann...“
    Als sie in den Stall kamen und absattelten, trat ihnen mit einem verlegenen Räuspern Hubert entgegen.
    „Wenn ihr hier fertig seid und wenn ihr dann noch ’n büschn Zeit habt, denn... denn hätt ich gern mal ’n paar Worte mit euch geredet. In einer ernsten Angelegenheit sozusagen.“
    „Um Himmels willen, Hubert, haben wir was angestellt? Oder ist was passiert?“ fragte Bille erschrocken.
    „I wo, im Gegenteil, es... es handelt sich da eher um