Bille und Zottel 10 - Im Hauptfach Reiten
Kirche.
„Nein, so was Schönes aber auch! So was Niedliches!“ rief Bruni immer wieder aus und reckte den Hals nach den Ponys. „Hast du dir das ausgedacht, Hubert? Also, so was Hübsches hab ich mein Lebtag noch nicht gesehen, nicht, Papa?“
Brunis Vater hatte neben Vater Brodersen Platz genommen. Das heißt, soweit er Platz fand neben dem Schwergewicht Brodersen, zumal die Rückbank eigentlich für Kinder gedacht war. Aber da Brunis Vater das an Gewicht zuwenig hatte, was Brodersen senior zuviel auf die Waage brachte, überstand er die Fahrt — teils glücklich, teils hilfeflehend — , den Blick auf die bräutlich-hübsche Tochter gerichtet und in dem Gefühl, durch das Brodersensche Übergewicht etwas aus der Form geraten zu sein.
Der Pastor erwartete sie vor der Kirche. Simon betätigte sich wieder als hochherrschaftlicher Diener, half erst der Braut samt Hochzeitskleid aus der Kutsche, dann dem Bräutigam, der offensichtlich Watte in den Knien hatte, winkte die Kinder, die zum Blumenstreuen ausersehen waren, herbei und geleitete den Zug bis zur Kirchentür. Drinnen brauste die Orgel auf — wie auf Kommando fuhren die Köpfe der wartenden Hochzeitsgäste herum, und ein hörbares „Ah!“ ging durch die Reihen. Simon schloß die Kirchentür.
„Wir lösen uns ab mit Zuschauen“, sagte Bille. „Jeder darf mal für ein paar Minuten rein. Drei bleiben bei den Pferden. Tina, Daniel, Tom — geht ihr zuerst. Simon nimmt eure Pferde, Florian und ich die Ponys.“
Die Ponys wurden nun allmählich doch unruhig, denn die höchst überflüssige Dekoration, in die sie rundherum eingehüllt waren, begann zu kratzen und zu kitzeln. Immer heftiger schlugen sie mit den Köpfen und stampften wild mit den Hufen. Bille und Florian hoben die heruntergerissenen Blumen auf und befestigten sie so gut es ging von neuem, am Geschirr, aber nach und nach bildete sich ein dichter Teppich aus Blütenblättern um das Gespann.
Bille zählte die Minuten. Drinnen predigte der Pastor. Schließlich erschien Daniel.
„Mach dir keine Hoffnung, daß Bettina und Tom so bald kommen, die sind total weggetreten vor Begeisterung. Ich hab ihnen dauernd Zeichen gemacht, aber sie haben es nicht bemerkt. Die üben scheinbar schon in Gedanken.“
„Macht nichts, ich kann hier sowieso nicht weg. Kümmere dich mal um Rumpelstilzchen, der dreht gleich durch.“
Endlich brauste die Orgel drinnen zum Schlußchoral auf. Die Glocken begannen zu läuten, und Bettina und Tom kamen mit hochroten Köpfen heraus. Der Fotograf stürzte aus der Kirche und nahm das Portal ins Visier.
Florian schwang sich auf den Kutschbock, und Bille sandte ein Stoßgebet gen Himmel, das frischgebackene Ehepaar möge möglichst schnell die Kutsche besteigen und losfahren. Aber nun mußte erst mal fotografiert und gratuliert werden. Das ganze Dorf schien in der Kirche gewesen zu sein und umringte nun mit Hochrufen und Gelächter Brautpaar und Kutsche.
Bille schmerzten die Arme vom ungeduldigen Ziehen und Zerren der Ponys, Reithose und Hemd klebten ihr schweißnaß am Körper, und sie verfluchte insgeheim die Idee mit dem üppigen Blumenschmuck. Das strahlende Lächeln auf ihrem Gesicht fühlte sich an wie aus Gips gegossen, aber was half’s — sie standen im Blickpunkt des begeisterten Publikums und mußten aushalten.
Endlich gab Vater Brodersen das Zeichen zur Abfahrt. Simon behielt Rumpelstilzchen eisern an der Hand und lief neben dem Gespann her, um die verärgerten Ponys am Durchgehen zu hindern. Im Schrittempo bewegte sich der Zug zum Bordersenschen Hof zurück.
Die ganze Scheune hatten sie ausgeräumt, mit Holzbrettern ausgelegt und eine Festtafel aufgebaut. Auf einem Podium schmetterte die Feuerwehrkapelle den Begrüßungsmarsch.
„Geschafft!“ stöhnte Bille, als Brautpaar und Gäste im Festsaal verschwunden waren. „Jetzt nichts wie runter mit dem Zeug!“
„Ihr könnt sie bis heute abend hier im Stall unterstellen!“ rief Frau Brodersen, die mit ein paar Helferinnen aus dem Dorf zwischen Küche und Scheune hin und her rannte, um die Speisen aufzutragen. „Und dann kommt erst mal zum Essen!“
„Wir wollten uns eigentlich umziehen, wir sind...“
„Ach was, jetzt stärkt euch erst mal. Ihr seht doch so schnuckelig aus in euren Uniformen!“
In der Scheune knallten schon die Sektkorken. Karlchen zapfte das Bierfaß an und stand augenblicklich unter einer schäumenden Dusche.
„Das hätte mir passieren sollen!“ seufzte Florian und stürzte
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