Bille und Zottel 10 - Im Hauptfach Reiten
Zweigen hindurch, dann näherten sie sich dem Park. Jetzt war das Halali nahe, die Bläser standen bereits auf der Veranda, die Zuschauer hingen in dicken Trauben in den Fenstern, da man von oben das Geschehen am besten verfolgen konnte.
Simon setzte über das letzte Hindernis, kurz darauf folgte Tom, der Master, und gab die Jagd auf den Fuchs frei. Simon ritt in einem weiten Kreis um den Platz, damit die ganze Gesellschaft Gelegenheit hatte, das letzte Hindernis zu nehmen, dann galoppierte er mitten durch die Gruppe der Reiter hindurch. Nur von links und mit der rechten Hand durfte der Fuchs gegriffen werden.
Franca hatte als erste die Chance. Sie galoppierte dicht an Simon vorbei und griff nach dem Fuchsschwanz, aber ihre Stute Donata brach nach rechts aus, bevor sie ihn fest packen konnte. Als nächster machte einer der auswärtigen Gäste den Versuch, aber er war zu weit entfernt, sein Arm reichte nicht bis zu Simons Schulter. Auch zwei der älteren Internatsschüler hatten kein Glück.
Jetzt stürmte Beppo heran. Die Augen fest auf den Fuchsschwanz geheftet, galoppierte er auf Simon zu, schnellte aus dem Sattel, wie von einer Sprungfeder getrieben, packte den Fuchsschwanz, riß ihn ab und hielt ihn triumphierend in die Höhe. Die Zuschauer brüllten „Bravo!“ und applaudierten heftig, die Bläser formierten sich zum feierlichen Schlußsignal und schmetterten, was ihre Lungen hergaben.
Im Halbkreis stellte sich die Jagdgesellschaft vor der Veranda auf, Herr Tiedjen trat vor, beglückwünschte den neuen Fuchs und dankte dem alten. Dann gratulierte er den Reitern zu ihrer Leistung und überreichte jedem den Bruch, eine grüne Schleife mit einem Eichenzweig daran. Ganz feierlich wurde es ihnen zumute. Mit einem dreifachen „Horrido!“ und „Hoho!“ war die Jagd beendet.
„Um sechs Uhr treffen wir uns alle im Speisesaal zum Jagdgericht!“ rief Tom. „Alle Reiter bitte in vorschriftsmäßiger Turnierkleidung erscheinen, sonst gibt’s Strafpunkte!“
„Zottel ist wunderbar gegangen!“ schwärmte Mini Bille vor. „Ich bin so froh, daß ich ihn reiten durfte! Vielen, vielen Dank!“
„Das nächste Mal wirst du dann auch springen“, sagte Bille lächelnd. „Ich werde mich darum kümmern, daß du ein Pferd bekommst. “
„Glaubst du, daß ich vor dem Jagdgericht verurteilt werde? Weil ich doch kein einziges Hindernis übersprungen habe.“
„Ach was, so ernst mußt du das nicht nehmen, das Ganze ist doch nur ein Spaß. Oder sagen wir, ein bißchen ernste Kritik in Spaß verpackt.“
Aber so ganz vermochten Billes Worte die Sorgenfalten von Minis Stirn nicht zu vertreiben.
Am Abend gab es ein festliches Essen für alle Jagdteilnehmer und Gäste. Auf dem Podium stand ein Tisch mit drei Stühlen dahinter, hier nahmen Richter, Staatsanwalt und Verteidiger Platz, nachdem der Nachtisch — Eiscreme mit Obstsalat — verzehrt war.
Simon hatte die Rolle des Richters übernommen, Tom stellte einen gestrengen Staatsanwalt dar, und Bille fungierte als Verteidiger. Etwas abseits saß Bettina als Gerichtsschreiber und Vollzugsbeamter.
„Aufstehen!“ schrie Florian jetzt über die Köpfe. „Das hohe Gericht erscheint!“
Unter ohrenbetäubendem Lärm sprang alles von den Stühlen. Simon, Tom und Bille marschierten mit ernsten Gesichtern in den Saal und nahmen auf dem Podium Platz. Die Zuhörer folgten ihrem Beispiel und steckten wispernd die Köpfe zusammen. Sätze wie „Verdammt, ich habe meine Handschuhe vergessen!“ oder „Ich hab meine Reitkappe nicht mit, kannst du mir deine borgen, wenn ich nach vorn muß?“ wurden hörbar.
Bettina stand noch einmal auf und schaute in die Runde.
„Als erstes rufen wir Herrn Giuseppe Santini vor die Schranken des Gerichts! Auch neuer Fuchs genannt.“
Beppo stolperte nach vorn.
Tom stand auf, räusperte sich und fixierte Beppo von oben bis unten.
„Herr Santini, Sie sind dem Gericht als ausgezeichneter Reiter bekannt und haben heute die Ehre erworben, neuer Fuchs zu sein. Trotzdem sind dem Gericht ein paar schwerwiegende Vergehen bekannt geworden, die einen Schatten auf Ihre Reiterehre werfen. Wo zum Beispiel befindet sich der unterste Knopf Ihres Jacketts? Und stimmt es, daß Sie Ihre Handschuhe verloren haben, als Sie sie während der Jagd auszogen, mit dem eines Reiters unwürdigen Ausspruch : , Ich kann die Scheißdinger nicht vertragen“? Ist es richtig, daß Sie beim Durchqueren des Teiches so heftig zugeritten sind, daß die nachfolgenden
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