Bille und Zottel 15 - Pferde im Schnee
Sofa, die gefüllten Teller vor sich, etwas zu trinken und eine geöffnete Pralinenschachtel auf dem Tisch, und sahen sich einen Wildwestfilm an, wobei sie mit ironischen Kommentaren über Reiter und Pferde nicht sparten. Nachdem sie gegessen hatten, kuschelten sie sich eng aneinander, hielten sich an der Hand und waren bald eingeschlafen, allen Schießereien auf dem Bildschirm zum Trotz.
Nach einer Weile kam der kleine Christian die Treppe hinuntergetappt, aus einem wilden Traum erwacht. Bei dem Gedanken, daß heute Bille und Simon das Haus hüteten, die, anders als die Eltern, großzügig auf jeden Sonderwunsch eingingen, überfiel ihn unstillbarer Durst. Als die beiden Schlafenden auf seine Bitte nicht reagierten, griff er zur Selbsthilfe. Er schenkte sich ein großes Glas Mineralwasser ein, wobei er die Tischplatte unter Wasser setzte, trank ein paar Schluck und kuschelte sich danach eng an Billes Seite, wo er gleich darauf ebenfalls einschlief. So fanden Inge und Thorsten die drei, als sie von ihren Freunden zurückkehrten.
„Reiter“, sagte Thorsten gedankenvoll, „habe ich mir irgendwie anders vorgestellt.“
Am nächsten Tag wurde es auf dem Groß-Willmsdorfer Hof wieder lebendig. Schon am späten Vormittag rollten die ersten Wagen heran, auch der eine oder andere Transporter hielt vor dem Schulstall. Die entfernt Wohnenden hatten ihre Pferde in den kurzen Weihnachtsferien dagelassen, aber wer in erreichbarer Nähe zu Hause war, hatte seinen Pferdeliebling natürlich mitgenommen.
Bille, die an diesem Morgen zuerst einmal bei Hans Tiedjen, der gerade von einem mehrtägigen Besuch bei Freunden zurückgekehrt war, hereingeschaut und sich nach allen Neuigkeiten erkundigt hatte, kam gerade dazu, wie ein ihr unbekannter Transporter vor der Tür des neuen Schulstalls hielt. Mini war natürlich längst zur Stelle und auch bestens informiert; erstaunlich, wie sie das immer schaffte.
„He, Bille, du kommst genau im richtigen Moment! Wir kriegen Zuwachs!“
„Zuwachs?“
„Ja, ein Mädchen aus der Fünften hat ihr eigenes Pony bekommen. Ein echtes Fjord-Pferd! Wenn wir so weitermachen, haben wir bald alle Rassen zusammen.“
Mini zog ihre große Freundin ungeduldig hinter sich her, bis sie dicht neben dem Wagen standen. Heraus stieg ein Ehepaar, das sich im Aussehen ähnelte, als handle es sich um Geschwister, blond und groß beide, mit kantigen Gesichtern, sehr hellen Augen, die von einem Kranz Lachfältchen umgeben waren. Inger, die Tochter, glich ihnen aufs Haar. Natürlich, die kleine Schwedin, erinnerte sich Bille. Sie hatte das Mädchen als besonders hilfsbereit und fröhlich in Erinnerung. Bille ging lächelnd auf sie zu.
„Herzlich willkommen, Inger, und ein gutes neues Jahr wünsche ich dir nachträglich! Super, daß du nun ein eigenes Pferd hast. Komm, laß es uns gleich ausladen.“ Bille begrüßte auch Ingers Eltern und überlegte insgeheim, was sie wohl für einen Beruf hatten. Eigentlich konnte sie sich beide nur als Landwirte vorstellen, auf einem einsam gelegenen Hof zwischen weiten Wäldern. „Sind Sie zum erstenmal bei uns?“ erkundigte Bille sich.
„Ja, im Sommer ist Inger mit ihrer Großmutter gekommen. Sie hat dieses Internat für Inger gefunden“, berichtete die Mutter. „Als sie Verwandte besuchte, die Halvers auf Gut Godenfelde, ihr Sohn Erik reitet bei euch. Er ist behindert und kann sich nur im Rollstuhl fortbewegen.“
„Erik, natürlich! Wir mögen ihn alle gern. Er ist mit einem Klassenkameraden von mir befreundet, Peter. Ich glaube, Peter hat die letzten Ferientage bei ihm verbracht.“
„Stimmt genau!“ mischte sich Inger ins Gespräch. Ihr schwedischer Akzent entzückte Bille immer wieder. „Er wird gleich hier sein, er reitet herüber. Sein Gepäck haben wir dabei.“
Ingers Vater hatte inzwischen die Klappe des Transportanhängers geöffnet, und Mini war wie ein Wiesel zu dem Pferd hineingeschlüpft. Bille mußte eingreifen.
„Mini, laß Inger ihr Pferd selber ausladen, halt deine Begeisterung im Zaum!“
„Ich wollte ihn mir ja nur schnell mal ansehen.“
Mini kam mit schuldbewußter Miene wieder aus dem Transporter und sah zu Inger hinüber. „Entschuldige, ich wollte mich nicht vordrängen.“
Inger lachte versöhnlich.
„Das macht nichts, du kannst mir ruhig helfen. Ich werde ihn sowieso nicht für mich allein haben, Erik soll ihn auch reiten.“
Die Mädchen lösten gemeinsam die Querstange aus ihrer Verankerung und banden den Wallach los.
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