Bille und Zottel 16 - Pusztaferien und Ponybriefe
wollten. Trotz des Staubes glänzte das braune und rote Fell der Pferde in der Sonne, der Wind spielte in ihren Mähnen, ihr leises Wiehern klang wie eine Aufforderung zum Spiel.
„Pferde!“ seufzte Bille glücklich. „Kannst du dir etwas Schöneres vorstellen?“
Bis zum letzten Augenblick blieben sie bei der Herde. Die Gruppe hatte sich neben dem Brunnen gelagert, die Unterhaltung war lebhaft geworden. Man kannte sich nun schon besser. Lajos trieb zum Aufbruch.
Den ersten Teil der Strecke ritten sie im Schritt - mit Rücksicht auf die reichlich genossene Mahlzeit, wie Lajos erklärte. Max redete ohne Pause. Jedem, der es hören oder nicht hören wollte, zählte er seine und Utes Siege auf den Turnieren der letzten fünf Jahre auf.
Bille versuchte nicht hinzuhören, aber das war unmöglich, Max’ Stimme übertönte mühelos jedes andere Geräusch. Ute war mit ihrem Pferd ein wenig zurückgeblieben, aber als Bille sie fragend ansah, lächelte sie ihr nur freundlich und ein wenig unverbindlich zu. Max vermißte Ute an seiner Seite offensichtlich nicht, er kämpfte bereits wieder mit seinem Wallach, nachdem er auf dem Rastplatz selbstbewußt verkündet hatte, bis zum Ende dieses Tages das alberne Tier dazu gebracht zu haben, ordentlich am Zügel zu gehen. Alles Ziehen und Zerren hinderte ihn allerdings nicht einen Augenblick daran, seinen Redeschwall fortzusetzen.
Lajos schlug ein schnelleres Tempo an, in gelöstem Galopp ließen sie die Pferde dahinlaufen, wie es ihnen behagte. Eine längere Trabstrecke folgte, und erst nach Kilometern parierten sie wieder zum Schritt durch.
Die Pferde schnaubten kräftig ab und schritten tüchtig aus. Bille hatte sich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt. Wenn nur dieser Schwätzer schräg vor ihr nicht gewesen wäre! Jetzt fing er an, den Wallach richtig in die Mangel zu nehmen! Bille warf Simon einen verzweifelten Blick zu. Auf Lajos’ Stirn erschien eine steile Falte. Doch ehe einer der beiden etwas unternehmen konnte, entschloß sich der Wallach zur Selbsthilfe.
Max verkündete gerade: „Das erinnert mich an unseren Michelangelo. Sechs Jahre und fast Grand-Prix-fertig! Der machte uns am Anfang auch solche Schwie. . .“ Der Rest des Satzes ging in einem Schreckenslaut unter.
Der Wallach hatte das Spiel endgültig satt. Er machte einen Satz nach vorn, der einem Lipizzaner in der Hofreitschule zur Ehre gereicht hätte, dann stürmte er los, auf und davon. Zunächst zeigte Max noch einen perfekten Sitz, doch dann sah man ihn um sein Gleichgewicht kämpfen. Der Wallach wurde noch schneller.
„Das Pferd trägt seinen Namen zu Recht“, raunte hinter Bille jemand. „Es heißt Támadas. Das bedeutet Angriff, Attacke.“
Simon und Bille zwinkerten sich schmunzelnd zu. Max war ein guter Reiter, er würde die Situation meistern. Oder doch nicht? Denn nun begann Támadas zu buckeln. Dem war auch Max nicht gewachsen - nicht in diesem Tempo. Er rutschte wie ein Kartoffelsack aus dem Sattel, während der Wallach gelassen davontrabte.
Und jetzt sagte Ute den ersten und einzigen Satz, den Bille an diesem Tag von ihr zu hören bekam: „Das geschieht ihm recht.“
Támadas war nach wenigen Metern stehengeblieben und hatte zu grasen begonnen. Gutmütig hielt er still, als Max ächzend in den Sattel stieg. Für den Rest des Tages zog Max es vor, zu schweigen. Der Wallach war für ihn fortan Luft.
Auf dem Hof angekommen, zogen sie die erfreuliche Bilanz, daß alle Reiter die Prüfung bestanden hatten. Nicht einer mußte auf die weiten Wanderritte in den nächsten Tagen verzichten. Zufrieden verließen sie den Hof, nachdem sie ihre Pferde versorgt hatten.
Nur einer blieb zurück. Rocky, der Cowboy, wie ihn Bille insgeheim genannt hatte, wartete an der Stallecke auf sie. Leicht verlegen stellte er sich ihr in den Weg.
„Du hast nicht zufällig irgend ’ne kühlende Salbe oder so? Mädchen haben doch immer so was.“
„Da läßt sich sicher was finden. Was hast du für Probleme?“
Rocky zeigte verschämt auf seine Kehrseite.
„Aufgeritten? Auweia, das ist schlecht, wenn du morgen gleich wieder aufs Pferd willst. Besitzt du keine Reithosen?“
„Ach, die finde ich irgendwie ätzend. Das paßt einfach nicht zu meinem Image.“
„Aha. Da reitest du dir lieber den Hintern auf! Selber schuld, mein Lieber. Du wirst noch ’ne Menge leiden müssen. Ist dir nicht klar, wie die Nähte und der harte Stoff dir ständig die Haut aufreiben? Okay, komm mit, ich werde dich
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