Billigflieger
Handvoll Rentner und ein paar Familien mit Kindern im Speisesaal, aber ob das stimmt oder nicht, kann ich nicht sagen. War, wie gesagt, um diese Uhrzeit noch nie da.)
Das soll übrigens keine Beschwerde sein. Denn nach einer ganz gewöhnlichen Ballermann-Nacht könnte ich früh am Morgen den Anblick von gelb leuchtenden Spiegeleiern, fettglänzendem Bacon, rot gezuckerten Frühstücksbohnen und spanischer Chorizo -Salami, die so billig ist, dass man oft noch ganze Schweineohren darin finden kann, sowieso nicht ertragen. Insofern bin ich nicht böse, wenn wir es nie zum Frühstück schaffen. Falls es das, wie gesagt, überhaupt gibt.
Außerdem ist es eh viel vernünftiger, mit dem Essen so lange zu warten, bis auch der Magen die vergangene Nacht vergessen hat. Und jetzt ist es so weit. Es ist fast Mittag, und wir sind bereit für die erste feste Nahrung an diesem Tag. Und für die flüssige sowieso.
Hacki, Schröder, Benni und ich helfen uns gegenseitig auf die Beine und schlurfen dann einer hinter dem anderen mit unseren Adiletten an den Füßen in Richtung Schinkenstraße. Dass wir dabei jede Menge bewundernde Blicke von den sich in der Sonne räkelnden Bikini-Mädchen auf uns ziehen, ist kein Wunder.
Wir sind vier Prachtkerle, vor allem in der Reihenfolge, in der wir gehen: vorne Hacki mit seinen hundertvierzig Kilo und seinem weißen, unbehaarten Bauch, der an die aufrecht gestellte Karosserie eines VW-Käfers erinnert; dahinter Schröder, der hundertzehn Kilo auf die Waage bringt und dessen Körper so mit Tattoos übersät ist, dass er aussieht wie ein wandelndes Comicheft (Warum es in dem Cartoon geht? Unter anderem um Drachen, prallbusige Frauen, chinesische Schriftzeichen, deren Bedeutung Schröder selbst nicht kennt, und um ein Mädchen, das er liebt und das Mutti heißt).
Dann komme ich, achtzig Kilo schwer, einigermaßen durchtrainiert vom Handballspielen und Surfen. Im Prinzip wirke ich wie ein ganz normaler Mann - das ist zwar nicht unbedingt eine prachtvolle Selbstbeschreibung, aber es stimmt.
Und Benni, der Letzte in der Reihe, bringt siebzig Kilo auf die Waage, ist schlank, sehnig und hat eine Frisur wie Jürgen Drews. Er ist derjenige von uns, der am meisten hermacht, ein sonnengebräunter Surfertyp, obwohl er gar nicht surfen kann - außer auf Pornoseiten im Internet. Jedoch müssen wir Benni immer wieder ermahnen, die Lippen aufeinanderzupressen, da er für gewöhnlich mit offenem Mund durch die Welt geht, wodurch er den Eindruck erweckt, er wäre auf dem Weg zu seiner betreuten Wohneinheit verlorengegangen. Das ist zwar übertrieben, widerspricht aber der Wahrheit nicht komplett. Zugegeben, Benni ist hübsch, aber der Hellste unter dieser Sonne ist er nicht.
Kurz darauf betreten wir Walter’s Bierstube , eine Kneipe, die ich noch in bester Erinnerung aus den vorangegangenen Jahren habe. Walter ist ein bodenständiger Kerl, dessen Gesicht zur Hälfte hinter einem Schnauzbart verschwindet, der die Dimension einer Rundbürste in einer Autowaschanlage hat. Er stammt ursprünglich aus Köln und hat sich vor über zehn Jahren seinen großen Traum erfüllt: Er ist nach Malle übergesiedelt und hat sein eigenes Lokal eröffnet.
Als wir die Kneipe betreten, empfängt uns ein angenehmes Schummerlicht, das uns sofort vergessen lässt, ob es gerade morgens oder abends ist - was übrigens genau der erwünschte Effekt des Betreibers ist. Auf diese Art und Weise ist hier nämlich immer die richtige Uhrzeit, um ein Bier zu trinken.
An einigen Tischen sitzen ein paar einzelne Gäste sowie einige Ehepaare, die diesen Vorteil offensichtlich seit dem frühen Morgen auskosten. Zusätzlich wird die Stimmung durch dezente Bläck-Fööss-Musik und bunt blinkende Lämpchen und farbenfrohe Luftschlangen unterstützt - bei Walter ist das ganze Jahre Karneval.
Wir setzen uns an die Theke und bestellen uns erst einmal ein Bier. Schließlich sind wir erschöpft und durstig, die stundenlange Sonneneinstrahlung am Strand hat uns regelrecht ausgedörrt. Walter fängt an zu zapfen und sieht uns dabei forschend an, denkt nach, bricht in ein Lachen aus, das in einem Radiohörspiel ohne weiteres als Gewitter durchgehen würde, und dröhnt dann in seinem herzlichen Kölsch:
»Isch werd bekloppt, dat is doch der Joachim. Und der Hacki, der Schröder und der Benni. Mensch, Jungens, hannisch eusch lang nit jesehen.«
»Genau ein Jahr ist es her, Walter«, sage ich.
»Isch han eusch nit verjesse. Nä, wat hamma Spass jehabt
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