Billionen Boy
erkennen. Die Jungs aus der obersten Klasse hatten allesamt Schnurrbärte und Ford Fiestas. Sämtliche Schüler lachten.
»Kannst du uns nicht eine Million pumpen?«, rief jemand.
Nun wurde das Gelächter ohrenbetäubend. Es erfüllte die ganze Luft.
Jetzt kann ich mich begraben lassen, dachte Joe.
10. HUNDESABBER
Joe eilte über den Schulhof Richtung Schulmensa. Die anderen folgten ihm im Schwarm. Joe hielt den Kopf gesenkt. Dieser plötzliche Starrummel gefiel ihm überhaupt nicht. Von überall her schwirrten Stimmen.
»Hey, Arschfuzzi, kann ich dein Freund sein?«
»Mir ist mein Fahrrad gestohlen worden. Kaufst du mir ein neues, Kumpel?«
»Kannst du uns ’nen Fünfer leihen?«
»Lass mich dein Bodyguard sein!«
»Kennst du Justin Timberlake?«
»Meine Oma braucht einen neuen Bungalow. Kannst du vielleicht hundert Riesen lockermachen?«
»Wie viele Hubschrauber hast du?«
»Wieso gehst du überhaupt zur Schule? Du bist doch reich!«
107Joe begann zu rennen. Die Menge rannte. Joe lief wieder langsamer. Die Menge lief langsamer. Joe drehte sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung. Auch die Menge drehte sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung.
Ein kleines blondes Mädchen versuchte seine Tasche zu fassen zu bekommen und Joe schlug ihre Hand mit der Faust beiseite.
»Au! Jetzt hast du mir die Hand gebrochen«, heulte sie. »Ich werde dich verklagen – auf zehn Millionen Pfund.«
»Hey, du kannst mir eine ’reinhauen«, rief eine Stimme.
»Nein, lieber mir! Hau mir eine rein!«, rief eine andere.
Ein langer Lulatsch mit Brille hatte eine bessere Idee: »Tritt mir gegen das Schienbein, und wir einigen uns außergerichtlich auf zwei Millionen. Okay?«
Joe floh Richtung Schulmensa, die um die Mittagszeit garantiert leer war. Mithilfe der Doppeltür versuchte er sich den Schüler-Tsunami vom Leib zu halten, aber es war umsonst. Sie drückten die Tür auf und ergossen sich in den Raum.
»WOLLT IHR EUCH WOHL ORDENTLICHIN EINE REIHE STELLEN!«, schrie Mrs Trafe.
Joe lief zur Essensausgabe.
»Na, Joe, was darf’s denn heute sein?«, fragte Mrs Trafe mit einem freundlichen Lächeln. »Als Vorspeise gibt es eine fabelhaft piekende Brennnesselsuppe.«
»Danke, Mrs Trafe, ich habe heute nicht allzu viel Hunger. Ich glaube, ich nehme gleich das Hauptgericht.«
»Da haben wir heute Hühnerbrust.«
»Oh, das klingt gut.«
»Ja. In Hundesabber. Und für Vegetarier gibt es frittierten Radiergummi.«
Joe schluckte. »Mmh, da kann man sich ja kaum entscheiden. Wissen Sie, bei uns gab es erst gestern Abend Hundesabber.«
»Das ist wirklich schade. Dann bekommst du eine Portion frittierten Radiergummi«, sagte Mrs Trafe, während sie etwas Undefinierbares und Fett triefendes auf Joes Teller legte, das ein heftiges Würgen hervorrief.
»Wenn ihr nicht essen wollt, dann raus hier!«, schrie Mrs Trafe der Menge zu, die sich immer noch an den Türen herumdrückte.
»Spuds Vater hat einen eigenen Hubschrauber,Mrs Trafe«, rief eine Stimme aus dem Hintergrund.
»Er ist stinkreich!«, rief eine andere.
»Er ist superstinkreich!«, rief eine dritte.
»Mach meinen Arm kaputt, Spud, dann bekomme ich dafür eine Viertelmillion!«, fiepte eine dünne Stimme von hinten.
»RAUS HABE ICH GESAGT!«, schrie Mrs Trafe.
Widerwillig zog sich die Menge zurück und gab sich damit zufrieden, Joe durch die dreckigen Scheiben anzustarren.
Mit seinem Messer entfernte er die Panade von dem darunter befindlichen braunen Klumpen. Die rohe Kartoffel kam ihm nun wie ein Gericht derGötter vor. Kurz darauf kam Mrs Trafe an seinen Tisch gehumpelt.
»Warum starren die dich denn alle so an?«, erkundigte sie sich freundlich und ließ ihre schwere Gestalt neben Joe auf einen Stuhl plumpsen.
»Ach, Mrs Trafe, das ist eine lange Geschichte.«
»Erzähl sie mir nur, mein Kleiner«, antwortete Mrs Trafe. »Ich arbeite in einer Schulkantine. Ich glaube, mir ist nichts mehr fremd.«
»Tja … dann …« Joe würgte das Stück Radiergummi, das er noch im Mund hatte, herunter und begann der altgedienten Buffetfrau alles zu erzählen: Wie sein Vater »Sauberpo« erfunden hatte, dass sie nun in einer riesigen Villa lebten, dass sie schon mal einen Orang-Utan als Butler gehabt hatten (was
Mrs Trafe sehr neidisch machte) und dass niemand etwas mitbekommen hätte, wenn nicht sein dummer Vater mit seinem dummen Hubschrauber auf dem Schulhof gelandet wäre.
Währenddessen starrten ihn die anderen Kinder die ganze Zeit
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