Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt
in ihrem Rücken, und sie fühlte, wie Gabriella sich zitternd an sie drückte, gleichermaßen, um nicht gesehen zu werden und nichts sehen zu müssen.
Vorn warf der Geweihte einen Blick auf seine Uhr. Dann legte er den Sicherungshebel seiner bedrohlichen Waffe um. War er überrascht, er selbst auch? Jedenfalls zog er sich in den Schutz eines Pfeilers zurück.
Der schwere Türflügel öffnete sich, und eine weiße Tunika wurde sichtbar: Man erkannte Jasmine, außer Atem.
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Sie warf mit zorniger Miene suchende Blicke um sich und ließ dann ein paar Schnalzer hören, um auf ihre Ankunft aufmerksam zu machen. Der Geweihte kam aus seinem Versteck hervor, trat auf sie zu und warf einen sichernden Blick in den Hof hinaus. Sie teilte ihm mit gesenkter Stimme in Englisch etwas mit. Sandrine spitzte die Ohren: Es war die Rede davon, dass der Plan geändert worden sei, weil ein gewisser Supremo damit nicht einverstanden sei. Und irgendjemandem würde nun wohl gehörig der Kopf gewaschen!
Der Geweihte gab völlig ungerührt zurück, dass er Weisungen nur von Argos entgegennehme. Darauf reagierte die Frau mit der Hasenscharte mit einer Grimasse, die besagte: »Schon recht, mein Freund! Es gibt Neuigkeiten für Sie.«
Sie reichte ihm ein Handy mit der Bemerkung, dass sein Chef ihn dringend zu sprechen wünsche. »Er erwartet Ihren sofortigen Anruf«, fügte sie in etwas triumphierendem Tonfall hinzu. Er griff nach dem Apparat, und um die Hand zum Wählen freizuhaben, legte er für einen Augenblick seine Waffe nieder.
Jasmine schien genau darauf gewartet zu haben. Sie hob rasch die Hand und spritzte ihm den Strahl aus einer Spraydose in die Augen.
Draußen im Hof knurrte der Hund zunächst und bellte dann immer wilder. Man hörte die raue Stimme von Dragos, scharf und gebieterisch; dann einen Schuss. Das Gebell wandelte sich in ein Heulen, nach einer weiteren Salve erstarb es.
Eine weibliche Stimme schrie eine Warnung; einem dritten Schuss folgte ein Todesschrei. Plötzlich unheimliche Stille, in der alles möglich schien, obwohl schon alles geschehen war.
Die schwere Tür öffnete sich, und Jasmine deutete durch eine Geste an, dass von hier aus keine Gefahr mehr bestehe. Eine Unbekannte in Jeans und schwarzem Pullover rannte herein. Ihr schnel-446
ler Rundblick erfasste das Warenlager, voll Verblüffung den Käfig und die Trapeze, und glitt dann zum Eingang des Waschraums hin-
über.
Mit einem Triumphschrei stürzte die Frau auf Sandrine zu.
»Rasch, komm!«, schrie sie, ehe sie sie noch erreicht hatte. »Ich bin Lydia und arbeite mit Kiersten, deiner Mutter, zusammen! Es ist vorbei! Capice? Wo ist…«
Sandrine starrte sie sprachlos an, und plötzlich schien sich ihre erstarrte Silhouette zu verdoppeln: Hinter ihrer Schulter tauchten ein strubbeliger Schopf auf und zwei vor Verblüffung weit aufgerissene Augen.
»Dora?«
Die junge Frau durchzuckte es wie ein Schlag, ihre Rührung ließ sie vergessen, dass man jetzt keine Sekunde verlieren dürfe. Sie presste Gabriella in einer wilden Umarmung an sich.
»Sei tu, piccola? Dio sia lodato! Perdonami per tutto!« – Bist du es wirklich, Kleine? Gott sei gepriesen! Vergib mir wegen all dem.
Jasmine rannte herbei und packte Sandrine am Arm; in ihrer anderen Hand hielt sie einen länglichen, metallenen Gegenstand: das Magazin der Maschinenpistole.
»Hab keine Angst, ich stehe auf eurer Seite! Aber wir müssen weg, ehe die anderen kommen!«
Sandrine sträubte sich zunächst, ließ sich aber dann mitziehen, nachdem sie einen Blick über ihre Schulter geworfen hatte: Ja, Gabriella folgte ihnen.
Sie mussten einen Haken schlagen, um dem Geweihten auszuweichen, der vor dem Ausgang auf dem Rücken lag. Seine geblendeten Augen rollten hinter verschwollenen, geröteten Lidern, und sein Atem war eine Folge gurgelnder, erstickter Laute. Dennoch schien er noch halbwegs bei Bewusstsein zu sein, denn er riss wie wild am Abzug seiner Waffe. Doch alles, was er bewirkte, war ein sinnloses Klicken.
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Draußen stieg gerade eine bleiche Sonne hinter den Hügeln um Xaghra empor. Ein mit Obst und Gemüse beladener offener Lieferwagen stand im Hof, in der Mitte zwischen dem alten Wohnhaus und der Lagerhalle. Sandrine sah den Hund regungslos auf der Seite liegen. Dann, als sie um das Fahrzeug herumlief, sah sie Dragos still daliegen, das Gesicht zur Erde gekehrt. Manuel kniete neben ihm, streichelte das Haar seines Bruders und murmelte eine flehentliche Bitte – immer und immer
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