Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt
wieder den gleichen Satz, wie eine Lita-nei.
Ein Mann in einer schusssicheren Weste, eine Waffe in der Hand und einen Feldstecher um den Hals, stand neben den beiden. Er behielt den Jungen im Auge, während er sich hinunterbeugte und das Jagdgewehr aufhob, das der Tote noch immer umklammerte. Er musste zuvor erst dessen verkrampfte Finger lösen.
Gabriella stöhnte laut auf, als sie diese Szene sah. Manuel wandte ihr sein von Kummer verzerrtes Gesicht zu. Er hob den Arm und zeigte ihr seine blutige Hand. Diese kindlich wirkende Geste sollte wohl besagen: »Es ist nicht meine Schuld, ich habe nichts getan!«
In Dragos' Nacken klaffte ein rotes Einschussloch.
Was mochte inzwischen im Kopf der kleinen Italienerin vorgehen? Sie trat drei Schritte zurück und beschaute das sonnenbeschienene Land ringsum und den blauen Himmel darüber, und es war, als ob das plötzliche Fehlen einschränkender Mauern und eines Daches über dem Kopf sie in Panik versetzte. Sie machte unversehens kehrt und rannte zurück in das Lagerhaus, ohne sich um die lauten Beschwörungen der anderen zu kümmern.
Ein zweiter, ebenfalls bewaffneter Mann stürzte Hals über Kopf aus dem Haus heraus und lief, etwas auf Italienisch rufend, auf die Gruppe zu; dann setzte er sich rasch hinter das Lenkrad des Lieferwagens und ließ den Motor an. Lydia wandte sich der Frau mit der Hasenscharte zu:
»Ich hole die Kleine! Verbergt ihr beiden euch schon mal in dem 448
Versteck!«
Sie lief davon und verschwand wieder in der Lagerhalle.
Jasmine klappte eine Ladewand des Lieferwagens herunter, und es zeigte sich alsbald, dass die dort sichtbare Ladung von Salat und Kohl, Äpfeln und Orangen nur die beiden oberen Drittel des vorhandenen Raums einnahm. Kisten und Körbe standen auf einem Zwischenboden, unter dem sich auf der Ladefläche ein paar blinde Passagiere halbwegs annehmbar ausstrecken konnten.
Aus dem Lagerhaus hörte man Lydias Stimme, abwechselnd befehlend, besorgt, flehend. Dann hörte man, wie Kisten und Schachteln umgestoßen wurden. Sandrine biss sich auf die Lippen und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
»Sie vergeudet ihre Zeit!«
»Dann hilf ihr doch!«, schrie Jasmine verzweifelt. »Sag ihr, wir könnten nicht länger warten!«
»Aber es wird mir niemals gelingen… Doch, jetzt weiß ich's!«
Statt in die Lagerhalle zurückzukehren, rannte Sandrine auf das niedrige Haus zu, ohne sich um die ihr unverständliche Warnung zu kümmern, die der Fahrer des Lieferwagens ihr zurief.
Die Haustür stand sperrangelweit offen. Sie lief sofort in den gro-
ßen Aufenthaltsraum mit seinen ländlich einfachen Möbeln hinein, der ordentlich aufgeräumt wirkte trotz des Geruchs nach Bratfett und kaltem Tabakrauch. Dann musste sie einen Aufschrei unterdrü-
cken, als sie den alten Stavros mit nacktem Oberkörper auf den Bodenfliesen liegen sah. Seine Augen waren verdreht und seine gelben Vorderzähne zerschmettert: Ein Schuss musste ihn direkt in den Mund getroffen haben.
Draußen ein Hupen, dringlich und befehlend. Sie schüttelte sich: Jetzt nur nicht länger den Toten anschauen! Sie war hierher gekommen, weil sie etwas Bestimmtes suchte. »Es muss doch in dieser Bruchbude trotz allem ein Badezimmer geben!«, dachte sie.
Ja, vielleicht dort am Ende des Flurs …
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Sandrine kam in die Lagerhalle gestürzt und streckte mit beiden Händen einen großen Spiegel vor, dessen Rahmen mit zahlreichen Muscheln dicht besetzt und mit Goldflitter verziert war. Ein echtes Kunstwerk…
Lydia tauchte aus einem Gang auf, ihre Augen funkelten in hilf-losem Zorn.
»Was soll das?«
»Um sie aus ihrem Versteck zu locken«, stieß Sandrine außer Atem hervor. »Sie muss sich seit einer Ewigkeit nicht mehr in einem Spiegel gesehen haben.«
Unweit von ihnen kam der Mirandist allmählich wieder zu sich.
Er begann sich mühsam aufzurichten und rieb sich die Augen.
Plötzlich erschien aus einem dunklen Winkel Gabriella und nä-
herte sich unter den schräg einfallenden Strahlen der Sonne, den Blick wie magisch angezogen von dem glänzenden Wunderwerk, das die Freundin ihr entgegenreckte. Lydia stürzte auf sie zu, packte sie und zerrte sie mit sich auf den Ausgang zu.
»Scappiamo, presto!« – Nichts wie weg!, schrie sie und machte einen Bogen um den Geweihten, der den Arm nach ihr ausstreckte.
Jasmine kam heran und begrüßte mit einem Ausdruck höchster Erleichterung im Gesicht das sich nähernde Trio. Sie schleppte einen dicken, verbeulten
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