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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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geäußert. Ob das daran lag, dass sie dort gelernt hatte, dass jedes offene Wort schon verräterisch sein konnte?
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    »Heute Abend kommt Antoine aus Algier zurück«, sagte Catherine.
    »Ich weiß, Monique hat mir gestern mitgeteilt, dass er seine Aufgabe mit einem halben Erfolg abschließen konnte.«
    »Man kann sich ausrechnen, was das zu bedeuten hat… Wie steht es mit Ihrem Vertrauen?«
    »Monique gegenüber?«
    »Aber nein – Antoine gegenüber …«
    Catherine hielt den Blick hartnäckig auf den kleinen Rest von Kaffeesatz am Boden ihrer Tasse gesenkt, als ob sie dort eine tröstliche Antwort finden könne auf eine schmerzliche Frage, die noch nicht zur Sprache gekommen war. Die Frage aber, die sie Laurence gestellt hatte, ging dieser im Kopf herum, zumal sie in ihrer Ein-deutigkeit kaum ein Ausweichen gestattete.
    Am Abend vor seiner Abreise nach Nordafrika war Antoine Becker darauf aufmerksam gemacht worden, dass gewisse Gerüchte in Bezug auf Frau Dr. Descombes im Umlauf seien. Seine Informantin war Teresa Lagerstein, deren Integrität und Kampfeslust er zu schätzen wusste. Sie war eine polnische Jüdin, die dem Getto von War-schau entkommen war und in den siebziger Jahren zunächst eine Hilfsorganisation für die Opfer von Folterungen begründet hatte und später eine Art von Heim in Neuilly, in einer alten Villa in der Avenue de Bretteville. Das Gebäude war ihr zur Verfügung gestellt worden von einer mitleidigen Seele, die auch die damit verbundenen Steuervergünstigungen zu schätzen wusste. Dieses Heim war inzwischen bekannt als ›Résidence Victor‹.
    Bald nach seiner Rückkehr lud Antoine Laurence zu einem kleinen Spaziergang längs der Quais ein. Er wartete eine günstige Gelegenheit ab, um ihr von Teresa Lagerstein und ihren Aktivitäten zu berichten.
    »Sie meinen, ich hätte Hilfe nötig?«
    »Nun ja, ich bin nicht sehr erfahren in diesen Dingen. Was glau-68

    ben Sie denn selbst?«
    »Die Abstände zwischen meinen Ohnmachtsanfällen scheinen größer zu werden. Letzte Woche waren es nur zwei. Im Übrigen geht es mir eher weniger gut… Das ist doch ein gutes Zeichen.«
    Er schaute sie verblüfft an. Was wollte sie damit sagen? Hatte sie sich nur versprochen?
    »Teresa ist eine alte Bekannte von mir«, fuhr er fort. »Sie hat Wind bekommen von gewissen Gerüchten, die Sie betreffen. Ich habe mich selbstverständlich geweigert, darüber mit ihr zu diskutieren!
    Aber ich habe sie dringend gebeten, sich mit Ihnen zu treffen. Sie kennen ja meine Einstel ung: Einige Minuten einer direkten Unterhaltung sind mehr wert als viele Stunden Geschwätz mit Mittels-männern!«
    »Immer vorausgesetzt, man kann miteinander reden!«
    »Das ist schwierig für Sie, ich weiß es! Daher werde ich Sie selbstverständlich dorthin begleiten. Man erwartet uns morgen am spä-
    teren Vormittag. Ich hoffe, dass Sie meine Meinung teilen: je frü-
    her, desto besser.«
    »Ja sicher, ohne jeden Zweifel… Ihr Sohn Jean-Louis hat mich übrigens in Saint-Brieuc angerufen – hat er Ihnen das gesagt? Ich hatte bei dem Gespräch den Eindruck, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.«
    Antoine meinte dazu, sie solle sich nicht unnötig den Kopf zerbrechen über Dinge, die sich allenfalls als Sturm im Wasserglas erweisen würden, und wechselte rasch das Thema. Immerhin hatte sie, dachte er, das Treffen mit Teresa nicht abgelehnt. Das war ja auch schon ein Erfolg; und es war ohnehin besser, die Dinge etwas in der Schwebe zu lassen, als Druck auszuüben, um eine ausdrückliche Zustimmung zu erreichen. Er fürchtete auch, dass bei einer weiteren Erörterung sein Zorn auf Jean-Louis spürbar werden wür-de. Wieso nur hatte dieser Schwachkopf Laurence angerufen? Und was genau mochte er ihr wohl gesagt haben? Man konnte sich 69

    doch wirklich auf niemanden verlassen, wenn es um Dinge ging, die Fingerspitzengefühl erforderten. Alles musste man selbst erledigen.
    Teresa Lagerstein empfing Laurence und Antoine in ihrem Büro in Neuilly. Dessen von der Heilsarmee gestiftetes Mobiliar stach in seiner zur Schau gestel ten Hinfälligkeit stark ab von den vergolde-ten Stuckaturen und Schnitzereien des Raumes. Die Lagerstein legte zunächst die Ziele ihrer Hilfsorganisation dar, die ursprünglich zur Unterstützung von Flüchtlingen aus Nordafrika und Asien, die in ihren Heimatländern misshandelt wurden, begründet worden war.
    Sie schilderte die einzelnen Stufen ihrer Therapiemethode, von der diagnostischen Untersuchung der durch die

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