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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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einen solchen internationalen Handel mit Snuffs gibt, kann das leicht zu einer Art Werbekampagne dafür werden … Dieses Risiko möchten wir eben vermeiden.«
    »Die Polizei ist immer für Geheimhaltung zu haben«, meinte der Richter nachdenklich, »denn Geheimhaltung ist immer auch ein Instrument der Macht. Und in jedem Regime liegt der Wunsch nach einem Wachstum an Macht stets in der Natur der Menschen, die sie ausüben. Aber ich wiederhole, dass ihr der Gesellschaft ein höheres Risiko aufbürdet, wenn ihr diesen Handel verheimlicht, als wenn ihr ihn enthül t… Alles in allem sind doch die Leute, die sich diese Sachen bisher angeschaut haben, nicht sehr zahlreich, nicht wahr? Was dich wirklich beschäftigt, ist die Gefahr der Entstehung eines Massenmarktes …«
    »Genau das! Die Vorstellung, dass jeder Beliebige, sagen wir mal Sandrine, sich so etwas anschauen kann, ist absolut unerträglich für mich. Und ich …«
    Sie verstummte, überrascht davon, dass sie plötzlich ihre Tochter erwähnte, obwohl diese doch mit der ganzen Diskussion nicht das Mindeste zu tun hatte.
    Zwischen ihnen breitete sich Schweigen aus. Zum ersten Mal fühlte sie sich dabei wohl und wünschte sich sogar, dass es andauern möge.
    Nachdem Kiersten das Tablett in die Küche getragen hatte, blieb sie in der halbdunklen Diele stehen. Der alte Richter stand vor dem Kamin, die Hände im Rücken verschränkt, die Schultern gewölbt.
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    Sein von der Glut beleuchtetes Gesicht zeigte einen noch strenge-ren Ausdruck als sonst.
    Kiersten erinnerte sich an eine Unterhaltung mit Dr. Paddington, bei welcher dieser sie gefragt hatte, ob sie jemals den Wunsch verspürt habe, dass ihr Vater sie in die Arme nehme und wie ein kleines Kind darin wiege. Sie hatte bei dieser für sie absurden Vorstellung laut auflachen müssen und geantwortet, nein, Sigmund Freud sei wohl kaum dienlich für die Familie MacMillan. All dessen war sie sich jetzt nicht mehr so ganz sicher, als sie wieder in die Bibliothek trat.
    Ihr Vater wandte sich ihr zu.
    »All dieses Grauen«, sagte er leise. »All diese Leiden! Ich verstehe deine Auflehnung, Kiersten, und in gewissem Sinne könnte ich dich darum beneiden. Aber dein Zorn beunruhigt mich auch… Meine Zuneigung zwingt mich, dich zu warnen … Der Zweck kann niemals die Mittel heiligen, denn zweifelhafte Methoden führen immer dazu, selbst ein noch so edles Ziel in sein Gegenteil zu verkehren.«
    Sie war versucht, »Amen!« zu sagen – um so ihre aufsteigende Rührung zu bekämpfen. ›Zuneigung‹ hatte ihr Vater tatsächlich gesagt; und vorhin hatte er ihr die Hand gestreichelt…
    Die Standuhr schlug zehn. Der Geruch nach kaltem Tabak und heißer Asche erfüllte den Raum. »Ich habe mich mal wieder rum-kriegen lassen!«, befand sie. »Einmal mehr!«
    Glaubte sie das wirklich? Nichts war weniger sicher.
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    4 . KAPITEL
    aurence Descombes hatte sich nach Saint-Brieuc zurückgezogen Lin der Absicht, im dortigen Landgasthof, den ihre Eltern unweit des Strandes betrieben, etwa einen Monat lang zu bleiben. Sie war hier aufgewachsen und hoffte, in der vertrauten Umgebung wenigstens annähernd ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Doch bereits nach zehn Tagen war sie mit dem Zug nach Paris zurückgefahren.
    Sie hatte sich erneut als Gefangene gefühlt angesichts der redseligen Unruhe ihrer Mutter und der schweigenden Besorgtheit ihres Vaters, für den all diese Aufregungen zu viel waren.
    Sie hatte gelitten unter der Unfähigkeit, angemessen von ihren Er-lebnissen zu berichten. Ihr war es nicht möglich gewesen, schlüssige Antworten auf die ihr gestellten Fragen zu geben, die in ihren Augen in keiner rechten Beziehung zu dem zu stehen schienen, was sie während ihrer jahrelangen Gefangenschaft durchgemacht hatte.
    Sie hatte sich sehr bald geweigert, ihre Mahlzeiten im Restaurant einzunehmen, denn die regionale Presse hatte über ihre Anwesenheit informiert, und das veranlasste einen Zulauf von Neugierigen, die sie sehen und ihr möglichst auch die Hand schütteln wollten.
    Sie wollte dieses Spiel nicht mitmachen, weil sie es als Heuchelei empfand.
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    Am siebten Tag hatte sich Jean-Louis Becker telefonisch aus Malta gemeldet. Ihre eigene Stimme hatte wieder an Selbstsicherheit gewonnen. Jean-Louis versicherte ihr, er sei inzwischen ein ganz anderer Mensch geworden. Eine Art von Bewusstseinserweiterung und einige bedeutende Begegnungen hätten seinem Leben eine neue Richtung gegeben. Sie hatte sich ohne jeden Hintergedanken

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