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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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hätten als diese Gefühllosigkeit, mit der man hier in ihrem Unterleib bohrte.
    »Sie bleiben!«, befand Sheba und ließ von ihr ab. »Eine Ärztin brauchen wir hier.«
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    Sie hörte Schritte auf den Bodenplatten, das Öffnen der Tür, ein Stimmengewirr, erneute Schritte, das Rasseln eines Schlüsselbundes. Der Tisch schien zu schaukeln, und es war ihr, als würden Nadelstiche ihr Trommel-fell durchdringen.
    Als es ihr endlich gelang, die Augen zu öffnen, sah sie, dass mitten im Raum ein Soldat stand. Er betrachtete sie mit einem leisen Lachen. Sie strich ihren Rock hinunter und richtete sich vorsichtig auf. Der junge Soldat, fast ein Halbwüchsiger noch, sagte einige Sätze zu ihr in der Landessprache.
    Sie beherrschte diese zwar noch nicht, glaubte aber zu verstehen, dass der Oberst sie ›für seinen persönlichen Gebrauch‹ reserviert habe, was das Vor-gefallene erkläre; es werde ihr nichts weiter geschehen. »Sie sehr glücklich!«, versicherte er ihr abschließend in gebrochenem Englisch.
    Da hatte Laurence Descombes noch nicht gewusst, warum sie diese Chance bekam; nicht gewusst, was man von ihr wollte; nichts gewusst von all dem, was sie in den folgenden Tagen, dann Monaten, schließlich Jahren erwartete. Sie konnte auch nicht ahnen, dass sie alles überstehen und eines Tages nach Paris zurückkehren und dort von einer Frau Lagerstein nach ihrer
    ›privilegierten Beziehung‹ zu Muhammad Sheba befragt werden würde.
    Laurence öffnete in der Dunkelheit die Augen und kehrte ohne Übergang aus der Tiefe des Schlafes in eine Wirklichkeit zurück, die ihr wie stillstehend vorkam. Sie war nicht allein.
    Sie hatte geantwortet »Ich weiß es nicht!«, als Dr. Rudaz sie in der Botschaft gefragt hatte, ob sie denn normal schlafe. Der Schlaf war für sie zu einer zeitlosen Zuflucht geworden. Er überkam sie genauso rasch, wie sie wieder aufwachte, ohne die geringste Erinnerung an ihre Träume. Dennoch konnte sie sich daran erinnern, dass sie die Tür geschlossen hatte, ehe sie zu Bett ging; wie ließ sich dann dieses dunkelgraue Rechteck erklären, das sich zum Gang hinaus öffnete?
    Sie nahm ein gleitendes Geräusch wahr und das leise Zischen ei-82

    nes Atemzugs. Sie erschrak nicht: Die Dunkelheit war während der verzweifeltsten Stunden ihrer Gefangenschaft ihr Verbündeter gewesen. All die Abscheulichkeiten, deren ohnmächtige Zeugin sie hatte werden müssen, hatten sich im gleißenden Licht der Scheinwerfer der Krankenstube abgespielt, oder in den Kerkern, in denen der gelbliche Schein der Glühbirnen nie verlöschte, oder in der alten Kapelle, wo die Sonnenstrahlen von den farbigen Fenstern gefiltert wurden.
    »Ich muss Sie sprechen!«, hörte sie Catherine flüstern. »Sie hätten dabei sein müssen! Man hat mir zwei Preise verliehen, eine Mords-sache! Dann haben wir das bei den Picquet-Marquart begossen!
    Aber keine Sorge, ich bleibe schon auf dem Teppich!«
    »Und Sie meinten schon, Sie würden leer ausgehen … Herzlichen Glückwunsch!«
    »Vielen Dank! Aber ich habe Sie natürlich nicht geweckt, nur um Ihnen meinen Triumph mitzuteilen. Das ist ja eigentlich alles so lächerlich. Ganz im Gegenteil zu dem, was ich von Antoine erfahren habe: Sie haben ihm ihre Kündigung angeboten …«
    Laurence spürte, dass sich Catherine am Fußende des Bettes nie-dersetzte. Sie konnte ihre Silhouette im Halbdunkel erkennen und auch den Umriss ihres Gesichts.
    »Es blieb mir keine andere Wahl…«
    »Ich weiß, er hat mir alles erzählt. Wie er sagt, hätten Sie seinen Vorschlag eines Gesprächs mit Syssojew als Ultimatum betrachtet
    … Wohlgemerkt scheint mir der Verdacht einer kleinen Erpressung nicht aus der Luft gegriffen. Antoine kann ein ganz schön falscher Fuffziger sein, wenn er etwas drehen will! Aber Sie sind doch gewieft genug, um zu wissen, wovor Sie sich hüten müssen! Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass Sie sich nicht kleinkriegen lassen sollten, Laurence. Wenn Sie kündigen, sind Sie geliefert! Es werden immer Flecken an Ihrem Ruf bleiben. Aber Sie können sich bei allem Humbug der Lagerstein auf eines verlassen: Ihr Russe ist ein 83

    absolutes Phänomen!«
    Schon vor sechs Monaten hatte sich Catherine Informationen über diesen Syssojew beschafft als Vorbereitung auf ein Gespräch, das dann doch nicht zustande kam. Er war Jude, vormals Psychiater in Moskau gewesen und hatte sich in jener Zeit als Dissident be-tätigt, als der KGB mit solchen Leuten nicht zimperlich umging. Er war in ein

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