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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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gutartigen Zyste geredet.
    Paddington hatte sie auf eine mögliche Verbindung zwischen dieser Erkrankung und ihrer ›zwanghaften Auflehnung gegen Kontrolle‹ angesprochen.
    »Kontrolle inwiefern?«
    »Jede Art davon: Selbstkontrolle, Rücksichtnahme auf Sandrine, Fremdbestimmung durch gestellte Aufgaben oder durch den Lauf der Dinge an sich …«
    »Mein Krebs aber ließ sich nicht von mir kontrollieren!«
    »Er könnte seinerseits eine Auflehnung gewesen sein, eine Auflehnung ihrer Weiblichkeit, die ein Recht auf Passivität, auf Hingabe 87

    einforderte …«
    »Ach, scheren Sie sich zum Teufel mit Ihren Theorien! Das Zeit-alter der Unterordnung der Frau ist doch vorbei!«
    Bei anderer Gelegenheit hatte sie typische Verhaltensmuster sexueller Gewalt beklagt und die grundsätzliche Entwürdigung der Frau als ›Lust- und Leidensobjekt‹. Er hatte sie unterbrochen:
    »Mag sein, aber Pornografie muss nicht grundsätzlich von Gewalt geprägt sein. Wenn ich mich nicht täusche, geben sich doch die Personen in den meisten Filmen, von denen hier die Rede ist, Beschäftigungen hin, an denen beide Seiten Vergnügen zu haben scheinen. Oder sie spielen das zumindest vor.«
    »Na und? Wollen Sie jetzt auch noch wissen, ob ich mich daran aufgeile? Da ist meine Antwort ein klares ›Nein!‹«
    »Und kommt es nicht vor, dass in Ihren Vorstellungen manche Szenen daraus wiederkehren?«
    »Welche ›Vorstellungen‹ meinen Sie damit?«, hatte sie mit entsetzter Miene entgegnet. »Falls Sie das andeuten wollen: Ich habe mich nie selbst befriedigt. Bin ich damit in Ihren Augen nicht normal?«
    »Normal?«, hatte er lächelnd gemeint. »Aber natürlich sind Sie normal. Und das wären Sie auch, wenn Sie sich selbst ihr Vergnü-
    gen verschaffen würden.«
    »Das betrachte ich als Aufgabe meiner Partner!«
    »Ich verstehe. Und die kommen dieser Aufgabe zu Ihrer Zufriedenheit nach?«
    Sie hatte ihm einen strafenden Blick zugeworfen, dem er ohne jedes Wimpernzucken standhielt. Beantwortet hatte sie seine Frage nicht…
    Bei der folgenden Sitzung hatte sie ihm dann, kaum dass sie Platz genommen hatte, frei heraus erklärt: Nein, es sei keineswegs so, dass sie Widerwillen gegen die körperliche Liebe habe, und sie fände durchaus Gefallen daran. Allerdings müsse sie einräumen, dass sie dabei gewöhnlich nicht zum Orgasmus komme – sie genieße zwar 88

    das Ansteigen der Lust, verweigere sich aber in letzter Sekunde dem Höhepunkt. Zugegeben, das hing zweifellos mit ihrer tiefsitzenden Furcht vor einem Verlust der Selbstkontrolle zusammen. Und was Pornofilme betreffe, so interessiere sie dabei stets nur die Frage, ob die Darstellerinnen den Orgasmus wirklich erlebten oder nur vor-spielten. Es hatte sie sehr viel Überwindung gekostet, all das zusam-menzufassen und einzugestehen. Sie hatte ihr Bekenntnis in einem Zuge heruntergebetet und in einem Ton, der besagte: »So, und damit liegt alles auf dem Tisch! Damit basta – weitere Erörterungen sind überflüssig!«
    Paddington hatte ein ausgesprochenes Faible für Kiersten. Sie war der Typ der selbstbewussten Frau, den er mochte. Das gestand er sich unumwunden ein, und es war allein schon Grund genug für seine Bemühungen, sie aus dieser Sackgasse, wie er befand, heraus-zuholen. Und er hatte – ganz im Gegensatz zu ihr, wie es schien –
    genug Ideen dafür.
    Als es an die Tür klopfte, brauchte er nicht erst auf die Uhr zu schauen, um zu wissen, dass das Kiersten war. Sie kam immer auf die Minute pünktlich. Er grinste vor sich hin bei dem Gedanken, dass von dem Tag an, an dem sie nicht pünktlich wäre, sie seiner auch nicht mehr bedürfen würde.
    Wie gewöhnlich begrüßte sie als Erstes Balzac, der sich von seinem Berberteppich erhoben hatte, um ihr mit vollendeter Höflichkeit die Pfote hinzustrecken.
    Balzac war eine herausragende Persönlichkeit der Hundewelt. Sein Fell hatte die gleiche Farbe wie das Haar seines Herrn, für den er ein ganz wichtiger Helfer war. Sobald ein Patient im Laufe eines Gesprächs in Tränen ausbrach, kam Balzac herbei und legte ihm oder ihr die Schnauze auf die Knie und sah ihn mit seinen Hunde-augen voll unendlichen Mitgefühls an. Er hörte den Menschen mit 89

    sichtbarer Aufmerksamkeit zu und nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, mit dem Kopf – oder er legte ihn schief, wenn er nach weiteren Informationen zu fragen schien. Kiersten war hinge-rissen von diesem Labrador und wäre die Letzte gewesen, den bei der Königlichen Kanadischen

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