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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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vorgestellt hatte.
    Er bat sie, Platz zu nehmen, und setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs.
    »Meinst du nicht, dass es an der Zeit wäre, mir zu sagen, was dich hierher führt?«
    »Dein Vater hat mich beauftragt, mit dir ein klärendes Gespräch zu führen über eine höchst delikate Angelegenheit. Es geht dabei um dieses Videospiel Tormentrix … Weißt du, dass diese Geschichte eine Menge Staub aufgewirbelt hat, und das nicht nur in Frankreich?«
    »Ja. Und?«
    »Es gehen Gerüchte in Paris um, dass du an der Grundkonzeption mitgewirkt hättest…«
    »Diese Leute haben mich angesprochen, das ist richtig. Sie hatten etwas gehört von den Techniken der Mirandisten, den Schmerz zu besiegen. Sonst noch etwas?«
    »Aber ja! Du kannst doch nicht völlig außer Acht lassen, auf welche Weise diese Leute deine Informationen genützt haben!«
    Er zuckte gleichmütig mit den Schultern: Die Popularität dieser Videospiele sei doch zunehmend vergänglich, und in sechs Monaten sei dieses schon wieder abgelöst durch eine andere gleich absurde Neuigkeit! Offen gesagt, habe er keine Zeit, sich mit solchen Kindereien zu beschäftigen.
    »Dein Vater findet, dass du dich kompromittiert hast, indem du Geld von diesen VG Brothers angenommen hast! Und er fürchtet 181

    auch um den guten Ruf von Harmonices Mundi…«
    »Der ist genau der Richtige, mir Moral zu predigen!«, entgegnete er verstockt. »Und von Kompromittierung zu reden, gerade dir gegenüber, das ist doch der Gipfel!«
    Er brach ab, als habe er schon zu viel gesagt. Dann beteuerte er ihr, von einer vereinbarten Zahlung nichts zu wissen. Gut, man habe der Firma vermutlich eine Spende an die Kirche vorgeschlagen, als Anerkennung sozusagen. Ob diese aber je erfolgt sei und in welcher Höhe, entziehe sich seiner Kenntnis, und die Überwachung von Zahlungseingängen gehöre auch nicht zu seinem Aufgabenbe-reich. Er habe sich bei seinem Eintritt zum Verzicht auf jeden eigenen Besitz verpflichtet. Seine ganze persönliche Habe sei an die Kirche gefallen. Und wenn ein kleiner Anteil der Gewinne aus diesem makabren Spiel der Verbreitung der Botschaft von Liebe und Frieden diene, was sei denn daran verwerflich?
    Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, weil sie von der Entdeckung erregt war, dass Jean-Louis seinen Vater verabscheute. Dass das Verhältnis der beiden nicht ganz spannungsfrei war, hatte sie zwar seit langem gewusst. Aber dass hier regelrechter Hass herrschte?
    »Vor Gerüchten ist niemand gefeit«, fuhr er fort. »Bei deiner Ankunft hast du mir von denen berichtet, die über dich selbst im Umlauf sind. Diesbezüglich hat mich El Guía beauftragt, dir mitzuteilen, dass du so lange bleiben kannst, wie du möchtest.«
    Diese Einladung sei zwar nicht ganz uneigennützig, räumte er ein, aber trotzdem außergewöhnlich. Die Anwesenheit von Frau Dr.
    Descombes in Xaghra, ihre Erfahrungen und ihr Ruf seien sicher ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum Bemühen der Mirandisten um Brüderlichkeit unter den Völkern.
    »Mein Ruf! Dass ich nicht lache!«
    »Unsere Kirche ist an Verleumdungen gewöhnt«, sagte er kalt.
    »Wir verweisen die Schwätzer auf den ihnen gebührenden Platz!«
    »Und wie haltet ihr es mit Leuten, die gegenteiliger Meinung sind?
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    So viel ich bis jetzt darüber weiß – und das ist bisher nicht viel –, bin ich noch weit davon entfernt, eure Lehre zu akzeptieren. Sich freimachen vom Leid – ja gerne. Aber zu welchem Preis? Einige sehen darin nichts weiter als die Verherrlichung der Flucht – die Verweigerung des Engagements, verwandelt in eine Tugend! Es könnte doch sein, dass sie Recht haben: Desensibilisierung ist doch eine Art moralischer Verformung …«
    Er antwortete ihr ruhig, dass sie doch in einer idealen Situation sei, um sich hier selbst ein Bild zu machen vom Inhalt der vier ersten Offenbarungen und dann zu entscheiden, ob sie sich dazu bekennen wolle. Der Rat der Weisen erkenne nicht nur die Freiheit der Entscheidung an, sondern man achte auch sehr darauf, dass Neulinge nicht überstürzt handelten. Dadurch sei gewährleistet, dass das Engagement, wenn man sich dazu erst einmal entschlossen habe, rückhaltlos sei. Die Jünger würden ihre persönlichen, schädlichen und kurzsichtigen Ziele aufgeben und ohne jeden Hintergedanken zum Wohl der Kirche und zum Heil der ganzen Gemeinschaft beitragen. Was hätte sie denn zu verlieren?
    An diesem Sonntag versammelten sich Novizen, Jünger und Zeugen im frühesten Licht des

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