Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
Vom Netzwerk:
Tagesanbruchs. Alsbald waren gut hundert von ihnen auf der großen Wiese zusammengekommen. Unter Anleitung eines erfahrenen Trainers machten sie zunächst Atem-
    übungen, um die letzten Reste der Schläfrigkeit zu verscheuchen.
    Als die Sonne hinter den flachen Hügeln um Xaghra auftauchte, war ihr Geist hellwach, und ihre Seelen waren weit geöffnet für das, was da kommen sollte …
    Im Rücken der Anhänger hatten sich die Geweihten in ihren nachtblauen Gewändern in einem Halbkreis am Ende der Terrasse aufgestellt. Sollten sie sie schützen oder überwachen? Laurence hatte geglaubt, es gebe nicht mehr als ein Dutzend von ihnen im Heiligtum, doch sie sah dort nun die doppelte Anzahl.
    Nun strömten die Kinder aus dem alten Klosterbau heraus. Sie 183

    waren in Chorhemden aus weißem Drillich gekleidet, die unter den flachen Strahlen der Sonne, die noch so schwach war, dass man ihr ins Gesicht sehen konnte, eine altgoldene Färbung annahmen. Sie stimmten ein Lied ohne Worte an, eine Folge aufsteigender, ätherischer und schwebender Töne. Novizen und Jünger hoben im Gleichtakt die Arme, wie um mit dieser Geste das Aufsteigen der Laute in die reine Luft des Morgens zu unterstreichen. Die meisten der Zeugen schlossen sich ihnen an, wie mitgerissen von der gleichen Empfindung. Laurence beneidete sie, wollte ihrerseits teilnehmen und sich einfügen in diese universelle Kommunion. Doch auf ihren Schultern schien ein Gewicht aus Blei zu liegen, und die Brust war ihr eng vor Beklemmung.
    Miguel D'Altamiranda trat in einer blendend weißen Dschellaba auf die Gruppe der kleinen Sänger zu und legte jedem von ihnen die Hand auf den gebeugten Kopf. Der Gesang erstarb und machte einem schweigenden Echo Platz, das aus einer anderen Welt zu kommen schien. Die Stimme El Guías erhob sich, warm und um-hüllend. Ein unsichtbares Mikrofon verstärkte und verbreitete sie: Sie schien von überallher zugleich zu kommen. Eine leichte Brise trug ihre Worte, ihr Auf und Ab davon. Sie kündigte die bevorstehende Fünfte Offenbarung an und sprach vom Heraufkommen der Astralen Ordnung und von der Vereinigung der Seelen und Herzen an der Schwelle des dritten Jahrtausends.
    Laurence gab sich der Melodie dieser Stimme hin, ohne auf die Sätze selbst zu achten. Dennoch ließ ein einzelnes Wort sie erzittern – ein Wort ganz für sich, Träger der Hoffnung, Symbol des Friedens. Sie sah sich wieder im elterlichen Heim, als kleines Mädchen in den Armen ihres Vaters, noch zuckend unter dem Albtraum, aus dem sie aufgefahren war. Beruhigende Worte wurden ihr ins Ohr geflüstert, sie wurde sanft gewiegt. Ihr Körper mehr noch als ihr Gedächtnis erinnerte sich wieder an dieses Schaukeln und die warme Sicherheit der Umarmung … Sie hörte sich flüstern: 184

    »Papa!«
    Als sie die Augen wieder öffnete, war D'Altamiranda verschwunden. Das Blau des Himmels war tiefer geworden, die Sonne hatte an wärmender Kraft gewonnen. Laurence sah sich umgeben von Gesichtern voller Ekstase, demütig gebeugten Stirnen, gefalteten Händen. Unweit kniete Jasmine neben einer Novizin, die ohnmächtig geworden war. Die Kinder liefen auseinander. El Guía Supremo hatte ihnen die Hand aufgelegt: Die Gläubigen drängten sich heran, wenn eines von ihnen vorbeikam, um es zu berühren.
    »Hallo! Kennen Sie mich denn nicht mehr?«
    Dora trug ein Band um die Stirn und war in das blassgelbe lange Gewand der Novizinnen gekleidet. Mit besonderer Erlaubnis des Ersten Ratgebers, berichtete sie, obwohl ihr Aufnahmegesuch vom Rat der Weisen noch nicht geprüft worden sei.
    »Was halten Sie davon, vor dem Frühstück zusammen noch ein paar Schritte zu gehen?«, schlug Laurence vor. »Wir könnten uns dabei ein wenig unterhalten …«
    »Aber sehr gern! Ich hatte den gleichen Gedanken, wagte aber nicht, Sie darauf anzusprechen.«
    Sie durchquerten den Olivenhain und traten auf den steinigen Pfad, der rings um das Kloster verlief. Laurence war froh, der Menge entrinnen zu können.
    »War Gabriella bei dieser Zeremonie auch dabei? Ich habe sie nicht gesehen…«
    »Sie blutete, und daher ist sie im Bett geblieben. Jasmine hat nicht erlaubt, dass sie sich El Guía nähert, wegen der Unreinheit.«
    »Wenn Sie sagen, sie blutete … sie meinen damit, dass sie ihre Regelblutung hatte, ihre Menstruation?«
    »Ja, ich wusste das Wort dafür nicht mehr. Sie ist schon eine richtige kleine Frau!«
    Laurence hatte Dora zu diesem Spaziergang eingeladen, um ihr dabei Andeutungen über ihre

Weitere Kostenlose Bücher