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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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Alter.
    Laurence stellte fest, dass die Pubertät noch nicht lange eingesetzt hatte, und die Brüste erst ganz ansatzweise entwickelt waren. Sie konstatierte Blutergüsse an den Rippen und den Schenkeln, eine Narbe am Halsansatz, Spuren von Verbrennungen in den Achselhöhlen – von Zigaretten etwa? Man hatte vielleicht nicht bis zu ihrer Übergabe an Signora Sissa gewartet mit ihrer ›Einweisung‹ …
    Laurence, die im Laufe ihrer Ausbildung mehrfach Gelegenheit 178

    zur Untersuchung heranwachsender Mädchen gehabt hatte, war erstaunt darüber, dass Gabriella von sich aus die Schenkel spreizte.
    Sie hob die Augen und fuhr zusammen unter dem Blick, dem sie begegnete. Ein herausfordernder und komplizenhafter Blick und doch zugleich ein Flehen, ein stummer Schrei, der einem das Herz brechen konnte. Dieser Blick bedurfte keiner Übersetzung! Laurence wusste Bescheid – und im Grunde hatte sie es schon vorher gewusst.
    Doch sie wusste auch, dass ihre Entscheidung schon gefallen war.
    Wenn sie Italienisch gekonnt hätte, hätte sie dem Mädchen gesagt:
    »Du braucht keine Angst zu haben; ich stehe auf deiner Seite.« Jedenfalls war es jetzt keine Frage mehr, dass man ihre Rückkehr nach Hause unterbinden musste, um dort erneut jenen ausgeliefert zu sein, die ihr Böses zufügen wollten.
    Jean-Louis schlug ihr vor, sie zu seinem Büro im Verwaltungsgebäu-de zu begleiten. Auf dem Weg dorthin fragte er sie wegen Gabriella aus.
    »Sie ist gesundheitlich in Ordnung«, behauptete Laurence. »Ein bisschen mager vielleicht, aber der Aufenthalt hier wird ihr sicher ein bisschen Fett auf die Rippen bringen. Man könnte natürlich noch eine gründlichere Untersuchung veranlassen, aber ich weiß wirklich nicht, ob das nötig ist.«
    Hätte sie ihm sagen müssen, dass sie unter anderen Umständen eigentlich eine Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten veranlasst hätte? Er wartete doch nur auf einen Anlass, das Mädchen doch noch zurückzuschicken … Vielleicht sollte sie aber wenigstens Dora gegenüber eine Andeutung machen, ihr wenigstens einen versteckten Hinweis geben. Hier im Heiligtum zumindest musste Gabriella wohl wegen der strengen Sitten der Mirandisten nicht mit weiteren Attacken rechnen. Hier würde sie in Sicherheit sein, außerhalb der 179

    Reichweite der Carabinieri von Neapel…
    »Ich verlasse mich auf deine Angaben«, sagte er. »Dennoch, du hast sie ja untersucht… Ist sie denn noch Jungfrau?«
    Sie nahm eine angespannte, abwehrende Haltung ein. Hatte er ihre Gedanken lesen können? Er bemerkte ihre abweisende Reaktion und entschuldigte sich für seinen Mangel an Taktgefühl.
    »Du musst das verstehen«, setzte er hinzu. »Letzten Sommer hatten wir hier eine Fünfzehnjährige bei uns, und es stellte sich heraus, dass sie schwanger war. Wir mussten sie nach ein paar Wochen heimschicken, weil ihr Benehmen sich nicht mit unseren Regeln vertrug. Anschließend hat sie verbreitet, sie hätte das Kind hier bei uns im Verlaufe einer ›Schwarzen Messe‹ empfangen! Zum Glück für uns bewiesen dann die Termine, dass ihre Angaben falsch waren
    – die ganze Geschichte kehrte sich gegen sie. Trotzdem war das na-türlich ein gefundenes Fressen für die Gerüchteküche … Ich brauche dir das ja wohl nicht weiter zu erklären!«
    »Ihr braucht da nichts zu befürchten. Bei Gabriella hat noch kaum die Pubertät eingesetzt… Sie hat lediglich Ruhe nötig und ein geregeltes Leben.«
    »Du meinst also, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben…«
    Sie nickte mit dem Kopf und war überrascht darüber, wie wichtig es ihm war, beruhigt zu werden. Hinter seiner Kälte entdeckte sie eine Erleichterung darüber, dass er sich für das Mädchen engagiert hatte. Sie sah darin einen Beweis dafür, dass er doch noch zugänglich war für Mitgefühl, dass man ihn zum Nachgeben veranlassen konnte und zur Milde …
    Ein gutes Dutzend von Jüngern mit abrasierten Brauen und in wei-
    ßen Gewändern waren unter der Aufsicht eines Geweihten mit un-nahbarem Blick in dem Gebäude schweigend mit der geordneten 180

    Erledigung ihrer Aufgaben beschäftigt.
    Das Büro von Jean-Louis hätte sich mit seinen schwarzen Mö-
    beln, seinen Planungstafeln mit Magnetflächen und seiner High-Tech-Ausstattung in der Führungsetage eines New Yorker Wolken-kratzers befinden können. Eine mit vielen kleinen Fähnchen be-steckte Weltkarte verriet, dass die Verbreitung der Universellen Vereinigungskirche viel umfassender war, als Laurence sich das

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