Billy Elliot - I will dance
hätte am liebsten gerufen: »Hey, Mann, guck dir deinen Sohn an! Ist der nicht fantastisch?«
Als Billy fertig war, blieb er nur ein paar Fuß vor der Nasenspitze seines Vaters stehen. Er stand da und starrte ihn an. Ich wusste nicht, was nun kam. Ich dachte, sein Dad würde vielleicht abheben und zuschlagen, aber beide standen bloß da und starrten sich an. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Dann fing ich an zu klatschen, ohne nachzudenken. Ich klatschte, so laut ich konnte. Mr Elliot schaute mich an, als würde er erst jetzt bemerkten, dass außer ihm noch jemand da war, dann drehte er sich plötzlich auf dem Absatz um und ging aus der Halle. Billy blickte zu mir rüber und lief hinterher. Ich ging zum Fenster, aber ich konnte nicht viel sehen. Mr Elliot lief die Straße entlang, so schnell, dass er schon fast rannte. Dann knallte die Tür. Ich konnte Billy nicht sehen, aber hören. »Dad!«, schrie er.
»Geh nach Hause, mein Sohn«, brüllte sein Vater. Er blieb nicht mal stehen, sondern wandte nur den Kopf. Dann verschwand er aus meinem Blick. Eine Minute später war Billy wieder oben. »Verdammte Scheiße«, sagte er.
»Du solltest lieber nach Hause gehen, wie er gesagt hat«, meinte ich. »Der bringt dich sonst um.«
Jackie Elliot
Ich rannte faktisch die Straße lang. Am liebsten hätte ich geweint, aber davon hatte ich genug. Ich dachte, ich muss was unternehmen. Ich biss mir auf die Lippen, um die Tränen aufzuhalten.
Die letzten Monate waren für alle hart gewesen, aber ich glaube, die meisten Leute würden mir zustimmen, dass für mich der Streik kaum zu einem schlechteren Zeitpunkt hätte kommen können. Die Frau tot. Zwei Jungs alleine großziehen. Tony außer Rand und Band. Die Schwiegermutter im Haus, die meistens nicht alle beisammen hat. Und Billy. Na ja, über Billy redet mit mir kaum einer. Die Leute gucken mich bloß an und lächeln. Was soll man schon sagen über unseren Billy? Er ist eine Lusche und ein Spinner – und, na ja, er ist eben unser Billy.
Aber es gab noch was, was über unseren Billy zu sagen war, was auch ich vorher nicht gewusst hatte, und zwar Folgendes: Es gab was, was er verdammt gut konnte. Moment. Schon gut. Natürlich habe ich keine Ahnung vom Tanzen oder vom Ballett oder so was, aber ich kenne es vom Fernsehen, und ich will nur sagen, dass er so gut war wie die, die ich gesehen habe. Das meine ich. Dabei hatte ich solche Sachen eigentlich nie besonders beachtet. Ich hatte nie gedacht, dass das irgendeinen vom Hocker reißen würde. Die Königliche Ballettschule! Ich dachte, das wäre bloß eine fixe Idee dieser Mittelschichtstante gewesen, die sich wichtig machen will und nach Möglichkeiten sucht, Geld auszugeben, was ich gar nicht habe. Aber. Wenn doch? Und dann, na ja… warum nicht? Wenn er es schafft. Wenn er wirklich Talent hat. Was soll dann werden?
In meinem Kopf drehte sich alles. Ich wusste, ich konnte nichts für ihn tun. Aber Moment mal. Damit durfte ich mich nicht begnügen. Ich meine, wenn er gut genug war, um Balletttänzer zu werden, und wenn er Balletttänzer werden wollte, dann musste ich gut genug sein, um einen Weg zu finden, damit er das wahr machen konnte. Darum ging’s. Klar?
Ich rannte wie ein kopfloses Huhn durch den Schnee. Ich musste nachdenken, und auf die Art habe ich versucht, eine Lösung zu finden. Ich dachte, also, was würde meine Sarah sagen? Sie ist seine Mutter, aber sie ist nicht hier, um ihm zu helfen, also musste ich für sie denken. Was würde sie tun? Würde sie zu Billy sagen, wenn ich dich noch mal erwische, kriegst du was auf die Backen? Nein, verdammt noch mal, das würde sie nicht. Sie würde sagen, du bist verdammt gut, Billy Elliot, du bist verdammt gut! Mach weiter, hörst du? Und wir alle werden dich unterstützen.
Ich musste lächeln, als ich daran dachte, dass meine Sarah sich kein X für ein U vormachen ließ, und da wusste ich sicher, dass ich in der Sache nur Scheiße gebaut hatte. Ich rannte rum, bis meine Stiefel patschnass waren und ich wieder einigermaßen nüchtern war – ich hatte nämlich mit den Jungs den zweiten Feiertag begossen. Dann rief ich George an und ließ mir sagen, wo die Tanzlehrerin wohnte, weil ich mit ihr reden wollte.
Ihr Mann machte mir die Tür auf. Er stand schwankend vor mir und hauchte mir eine Bierfahne ins Gesicht, dann wandte er den Kopf und rief: »Ist das ein Freund von dir?«, und ließ mich stehen, ohne auch nur Guten Abend gesagt zu
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