Billy Elliot - I will dance
später.«
Im eigenen Haus kann man ja wohl ein bisschen Solidarität erwarten, oder? Das tue ich doch nicht nur für mich, sondern auch für die. Wenn ich den Jungen noch mal beim Tanzen erwische oder wenn ich die alte Schreckschraube auch nur in seiner Nähe entdecke, dann schlag ich zu, dass Blut fließt.
Jackie Elliot
And here it is, Merry Christmas,
Everybody’s having fun
Look to the future now,
It’s only just beg-ah-ah-un.
Slade
Weihnachten. Die Pute, mit allem Drum und Dran. Die Knallbonbons. Der Portwein, der Kognak. Gin und Tonic für die Frau. Meine geliebte Sarah. Der Baum, das knackende Feuer, die glitzernden Girlanden, die vielen bunt eingewickelten Geschenke. Es ist gemütlich warm, obwohl es draußen so kalt ist, dass einem die Füße am Boden festfrieren.
Tja, aber nicht in diesem Jahr.
Am Heiligabend gab es im Klub eine Feier für die streikenden Bergleute. Das sind wir. Ein schöner großer Baum, Kinder rannten rum, Weihnachtsessen. Das war okay für Leute, die gerne mit sechzig anderen Familien Weihnachten feiern. Wir hatten ein Spruchband angebracht: »Fröhliche Weihnachten. Neun Monate. Wir bleiben standhaft.« Klar, bleiben wir standhaft, wir sind festgefroren. Dann gingen wir nach Hause.
Bei mir bewirkte das nur eins – und da kannst du mal sehen, was ich für ein mieser alter Versager bin –, ich versank in Selbstmitleid, weil die Wohlfahrt mehr zu Stande kriegte als ich. In unserem Haus war es so kalt wie draußen. Als ich reinkam, trank ich eine Tasse Tee, und auf einmal fiel mein Blick auf das Klavier. Das hätte nicht passieren dürfen, das weiß ich. Aber ich dachte – wenigstens am Weihnachtstag sollen wir es warm haben. Also zerrte ich das alte Klavier raus in den Hof. Es ist nichts wert, niemand spielt drauf, nur Billy klimpert manchmal ein bisschen, aber selbst er hat damit vor einer Weile aufgehört. In diesem Haus sind alle Versager. Mein Dad pflegte zu sagen, Holz hacken hält einen doppelt warm – erst beim Hacken, dann beim Heizen. Er wusste, was frieren heißt, seine ganze Generation wusste das, aber dass ich und meine Kinder das auch erfahren müssten, hätte ich nie gedacht. Ah ja, in unserem Haus ist es schon mächtig kalt, und nicht nur, weil die Heizung abgestellt ist. In den letzten Wochen haben wir alle kalte Herzen bekommen, und das ist die Wahrheit. Ich kann mir nicht vorstellen, was es für meine beiden Jungen bedeutet, keine Mutter zu haben. Wenn sie nach Hause kommen, bin nur ich da.
Ich holte die Axt aus der Kammer und zerhackte das scheiß Klavier. Billy kam raus, setzte sich in den Schnee und schaute mir zu. Sarah hat Schnee geliebt. Dies Jahr kriegten wir weiße Weihnachten. Und blaue Weihnachten, blau gefrorene. Ich musste Billy immer wieder sagen, dass er Abstand halten sollte, damit er nichts in die Augen bekam. Die Saiten schnellten durch die Gegend, Hämmerchen und jede Menge Metallstücke flogen herum. Ich machte die Axt kaputt. Ich hätte erst alles Metall abmachen sollen, aber ich hatte mich dazu nicht aufraffen können.
»Meinst du, sie wäre damit einverstanden?«, fragte er mich. Ich hätte ihn umbringen können. Ich wollte nicht daran denken.
»Sei still, Billy. Sie ist tot, oder?«
Ich schwang die Axt. Ich konnte Billys Nan sehen, die von innen zuguckte. Auf den Anblick hätte ich gut verzichten können und überhaupt. Ihr Gesicht blieb reglos, ihr war nichts anzusehen. Sie knackte Nüsse mit dem Nussknacker und legte sie dann auf dem Fensterbrett aus. Sie kann keine Nüsse essen, weil sie nie ihr Gebiss in den Mund steckt. Sie hat keine Ahnung, was los ist. Ich dachte, ein Glück für sie. Ein Glück für sie! Also hatten wir am Weihnachtstag ein schönes Feuer im Kamin. Tony kochte, Billy gab er für den Tag frei. »Heute brauchst du nichts im Haushalt zu machen«, sagte er. Manchmal macht mich seine Art mit Billy umzugehen kirre, aber jetzt gab er sich große Mühe, ihm ein schönes Weihnachten zu machen. Kochte. Schenkte ihm ein Paar Fußballschuhe.
»Wo hast du die her?«, fragte Billy. »Frag nicht«, sagte Tony. Mir schenkte er ein Paar ordentliche Hausschuhe, und ich fragte auch nicht, wo die herkamen. Und ich? Ich geh nicht Klauen. Ich hatte Susan Harris gebeten, für die beiden Jungen Pullover zu stricken. Fröhliche Weihnachten. Hübsch und dick und warm. In unserem Haus braucht man so was. Sie strickte die Pullover, ich schenkte sie. Es war nett von ihr zu helfen.
Und dann. Und dann. Ich
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