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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Und was hilft es Ihnen, dass Sie angeblich nur am Arbeitsplatz arbeiten, wenn die Arbeit Sie längst bis ins Schlafzimmer verfolgt?
    Was Ihre Firma wirklich will, steht im offiziellen Arbeitsvertrag schon deshalb nicht, weil es gegen Gesetze verstoßen kann. Ein solcher Vertrag kommt heimlich zustande: durch Erwartungen, die von Ihrer Firma gehegt und von Ihnen erfüllt werden; man spricht von einem »psychologischen Vertrag«. Keine Gewerkschaft muss eine solche Abmachung durchwinken, kein Gericht kann über sie urteilen.
    Hier ein Beispiel, welche zehn heimlichen Paragraphen der Biochemiker eines Zulieferers der Chemieindustrie in dem heimlichen Vertrag seiner Firma in einem Coaching-Gespräch ans Licht gefördert hat:
    Heimlicher Arbeitsvertrag
    § 1: Je länger du arbeitest, desto höher stehst du im Kurs!
    § 2: Wenn du deinen Job liebst, bist du rund um die Uhr erreichbar!
    § 3: Arbeite immer mit Volldampf!
    § 4: Tu tausend Dinge zur selben Zeit, sei Multitasking-fähig!
    § 5: Ziehe das Dienstliche dem Privaten vor!
    § 6: Die Arbeit ist nie zu viel – du bist höchstens zu schlecht organisiert!
    § 7: Nur die Harten kommen in den Garten: Sei nie krank und schwach!
    § 8: Begnüg dich mit wenig Schlaf, dann bleibt mehr Zeit für die Arbeit!
    § 9: Knie dich auch im Urlaub und am Wochenende in die Arbeit rein!
    § 10: Nimm die Arbeit wichtiger als die Erholungspausen!
    Diese Erwartungen sprechen Chefs nicht aus, aber wachen darüber, dass sie eingehalten werden. Wer nach Hause geht, wenn er es laut offiziellem Arbeitsvertrag dürfte, erntet böse Blicke und spöttische Bemerkungen. Wer dagegen den heimlichen Vertrag erfüllt, wer bis in die Nacht in seine Arbeit eintaucht, wird mit Schulterklopfen belohnt. Dreimal dürfen Sie raten, welcher Vertrag in der Praxis wichtiger ist!
    Und jetzt schlägt der gefährliche Kompass wieder aus: Viele Mitarbeiter, brave Kinder von einst, sind darauf geeicht, unausgesprochene Erwartungen der Autoritäten zu erspüren und zu erfüllen. Blitzschnell erfassen sie den heimlichen Vertrag und tun alles, um ihm gerecht und folglich belohnt zu werden.
    Das ist vorübergehend gut für ihren Arbeitgeber. Aber das ist dauerhaft schlecht für sie. Denn wo bleiben ihre eigenen Bedürfnisse?
    Die eigenen Bedürfnisse – wer kennt sie noch? Gerade in unserer hektischen Zeit ist die Wahrnehmung ein Scheinwerfer, der immer nur die Außenwelt anstrahlt, statt nach innen zu leuchten. Wie es Menschen gibt, die weiteressen, obwohl sie schon satt sind (und deshalb immer dicker werden), so gibt es Menschen, die weiterarbeiten, obwohl sie eigentlich müde sind (und deshalb immer erschöpfter werden). Beide Gruppen merken nicht, was sie tun, während sie es tun – sondern sehen nur die Ergebnisse!
    Dass Sie diese Automatismen unterbrechen und eine neue Achtsamkeit für sich selbst entwickeln, einen inneren Kompass, dessen Nadel sich ausrichtet an Ihren Bedürfnissen, Wünschen und Idealen – darauf kommt es an! Diese Achtsamkeit brauchen Sie, um herauszufinden, was in Ihrem Selbst-Vertrag stehen soll.
    Wie können Sie den Scheinwerfer Ihrer Wahrnehmung nach innen drehen? Indem Sie sich selbst zum Forschungsobjekt erklären. Indem Sie mit neuen Augen auf Ihr Leben schauen. Horchen Sie beim Arbeiten immer wieder in sich hinein: Wann werden Sie müde? Wann sehnen Sie sich nach Ruhe? In welchen Augenblicken wollen Sie verlangsamen, innehalten, Pause machen? Und woran genau merken Sie, dass es Zeit wird, in den Feierabend zu gehen, um Ihre Liebsten zu sehen, Ihre Freunde zu treffen, Ihr Hobby zu pflegen?
    Welche Forderungen, die Ihr Chef an Sie stellt, fühlen sich schlecht an? Wann sollen Sie mehr leisten, als Sie leisten wollen? Wann weicht die Arbeit, die verlangt wird, von der Arbeit ab, die zu Ihnen passt?
    Nehmen Sie sich im Laufe eines Arbeitstages für solche Fragen immer wieder Zeit. Spüren Sie in Ihren Körper hinein, wie sich Aufgaben, Befehle, Situationen anfühlen. In welchen Momenten verspannen Ihre Schultern und Ihr Nacken? Wann treten Kopf- oder Rückenschmerzen auf? Wann haben Sie das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen? Wann fallen Sie in Konzentrationslöcher? Oft sind solche Beschwerden psychosomatisch: Der Körper schlägt Alarm, weil Sie psychisch nicht mit sich im Reinen sind – Sie müssen nur auf ihn hören!
    Schon wenn es Ihnen gelingt, die eigene Müdigkeit zu erkennen, kann das ein großer Fortschritt sein. Wer eine Grenze verteidigen will, muss sie erst mal

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