Bin ich hier der Depp
billig und geht schnell. Wie Bluthunde heften sich Firmen an jene Spuren, die Mitarbeiter und Bewerber im Internet hinterlassen. Dabei kann es zu skandalösen Irrtümern kommen, wie ich selbst erlebt habe.
Vor zwei Jahren beriet ich einen Chemiker bei der Jobsuche, nennen wir ihn Lars Brendel. Mit exzellenten Noten hatte er sein Studium abgeschlossen. Seine Bewerbungsunterlagen waren außergewöhnlich gut. Dennoch erntete er eine Absage nach der anderen, während Kommilitonen mit schlechteren Noten in Vorstellungsgespräche kamen. Woran lag es, dass die Firmen ausgerechnet ihn ver schmähten?
Die Antwort fand er heraus, als er seinen Namen googelte: Der erste Lars Brendel im Suchergebnis war ein widerlicher Rassist, der in Foren gegen die Überfremdung des deutschen Volkes und eine zu liberale Einwanderungspolitik wetterte. Anscheinend verwechselten die Firmen den Bewerber mit dieser Dumpfbacke.
Ich gab Lars Brendel den Tipp, bei den nächsten Bewerbungen darauf hinzuweisen, dass er mit dem gleichnamigen Internet-Nationalisten nur den Namen teile. Und siehe da: Plötzlich wurde er zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.
Eine zufällige Namensgleichheit reicht im digitalen Durcheinander, einen Menschen aus der Arbeitswelt auszusperren. Dabei hätte jeder Personaler mit ein wenig Mühe das Foto des Rassisten finden können: ein Glatzkopf von Ende 30. Der Chemiker war Mitte 20 und trug auf seinem Bewerbungsbild halblanges Blondhaar. Doch im Zweifel entscheiden sich die Firmen nicht für, sondern gegen den Angeklagten.
Aber nur inoffiziell! Wenn die Presse fragt, ob sie Bewerber googeln – wie es »Die Zeit« bei zehn Unternehmen tat –, hört man durch die Bank, von BASF bis Bayer, von Adidas bis VW : Nein, Gott bewahre, dazu fehlt uns die Zeit! [71]
Unter vier Augen sind Personaler ehrlicher. Eine Studie des Marktforschungsinstituts Aris in Hamburg ergab, dass sich 52 Prozent aller Personaler im Internet über ihre Bewerber informieren. [72] Ein zweifelhaftes Unterfangen, denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet es, Menschen aufgrund ihrer Herkunft zu benachteiligen. Was aber, wenn der Personaler im Internet auf ein Foto stößt, das den ethnischen Hintergrund des Bewerbers verrät? Allein dieser Verdacht könnte nach Meinung von Juristen ausreichen, dass ein abgelehnter Bewerber die Firma erfolgreich verklagt. [73]
Wie das Internet eine Karriere ausbremsen kann, dafür gibt es ein Beispiel bei der Firma MAN , dort als »Google-Fall« bekannt. Ein neuer Einkaufsleiter war schon eingestellt, als ein Mitarbeiter den Personalern einen Wink gab: Schaut euch mal seine Homepage an! Dort war der künftige Chef in Rambo-Verkleidung zu sehen, bis an die Zähne bewaffnet, als wäre er einem schlechten Actionfilm entsprungen.
Doch nicht nur kriegerische, sondern auch erotische Lüste trieben den Einkaufschef in spe um, wie der Personalleiter Peter Attin zu seinem Entsetzen auf der Homepage entdeckte. Eine Link-Sammlung roch nach Pornografie und bereitete ihm sogar technische Probleme: »Das waren Seiten mit sexuellen Inhalten, die ich auf meinen Arbeitsplatz erst mal freischalten lassen musste, um sie zu prüfen.« [74]
Die Prüfung ging negativ aus. Der Vertrag wurde gekündigt, ehe der Mitarbeiter zum ersten Arbeitstag angetreten war.
Vieles spricht dafür, dass es in diesem Fall den Richtigen getroffen hat, denn Rambos gibt es in der Chefetage schon genug! Aber wer garantiert einem Bewerber, der im Web als Attac-Mitglied agiert, dass ihn eine Firma nicht aus politischen Gründen verschmäht? Wer garantiert einer Lesbe, die in einem Forum aktiv ist, dass sie nicht an ihrer sexuellen Orientierung scheitert? Und wer garantiert einer Mitarbeiterin, die den Bestseller »Ich arbeite in einem Irrenhaus« wohlwollend bei einem Internet-Buchhändler rezensiert, dass daraus nicht Rückschlüsse auf ihr angeblich gestörtes Verhältnis zur eigenen Firma gezogen werden (ein Fall, den ich als Autor des Buches selbst verfolgt habe).
Das Internet ist wie ein Spielplatz voller (potenzieller) Mitarbeiter, über den das große Auge der Firmen wacht, manchmal sogar in der scheinbar privatesten Ecke: bei Facebook. Ich weiß von mehreren Unternehmen, bei denen die Führungskräfte konkurrieren, wer die meisten Facebook-Freunde unter seinen Mitarbeitern gewinnt.
Was bleibt einem Mitarbeiter übrig, wenn ihm sein Chef die Facebook-Freundschaft anbietet? Lehnt er ab, ist er unten durch: Spielverderber! Stimmt er zu, muss er
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