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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Arbeitsplätze und angemessene Gehälter bieten. Ein wichtiges Signal aus der Politik wäre das, nicht nur mit Blick auf das Rentenniveau, sondern vor allem mit Blick auf die Menschlichkeit in der Arbeitswelt.
    Übrigens: Der Bau-Ingenieur fand doch noch eine Anstellung. Am Ende gab er ein Inserat nach folgendem Muster auf: »Ich habe viele Stärken, aber eine große Schwäche …« Und so zählte er seine Qualifikationen und seine Erfahrung auf, ehe er ganz am Ende auf seinen »Fehler« zurückkam: sein Alter von 56.
    Ein Unternehmer im Schwäbischen, selbst Anfang 70, fühlte sich von der Anzeige angesprochen. Sofort hat er ihn zum Vorstellungsgespräch eingeladen und noch am selben Tag eingestellt. Manchmal halten Ältere zusammen, auch wenn einer von ihnen Manager ist.
    Hamsterrad-Regel: Ältere Bewerber sind keinesfalls benachteiligt. Sie haben sogar bessere Chancen als jüngere – auf eine Absage!
    Deppen-Erlebnisse
    Wie ich in einen toten Winkel befördert wurde
    Die letzte Beförderung meiner Karriere war eine besondere: Ich musste meine langjährige Abteilung an einen Jüngeren abtreten und wurde zum »Abteilungsleiter für besondere Aufgaben« ernannt. Das klang gut, mein Problem war nur: Es gab keine solche Abteilung – und keine besonderen Aufgaben.
    So saß ich in einem Büro am Ende des Flurs in einem alten Gebäudetrakt, ganz auf mich allein gestellt, und drehte Däumchen. Ohne Mitarbeiter, ohne Kunden, ohne Aufgabe. Und immer, wenn mir mal eine Herausforderung einfiel, bremste mich mein Vorgesetzter: »Das fällt nicht in Ihren Aufgabenbereich!«
    Aber worin bestanden meine Aufgaben? So sehr ich auch suchte: Ich fand sie nicht! Allmählich wurden mir die Tage lang. Ich zählte die Vögel vorm Fenster, surfte im Internet, telefonierte mit meiner Frau. Und wenn ich der Meinung war, es müsse gleich 17 Uhr sein, belehrte mich die Uhr, dass seit dem Mittagessen erst eine Stunde vergangen war. Ich versuchte, die Zeit totzuschlagen. Doch jeder Schlag schien mein Gemüt zu treffen.
    Mein Telefon schwieg. Mein Mailfach blieb leer. Niemand verirrte sich in mein abgelegenes Büro, um mit mir zu plaudern. Ich fühlte mich überflüssig und leer. Was sollte ich hier noch? Mein Kopf glich einem See kurz vorm Zufrieren, ich spürte Gedankenstarre.
    Als meine Stimmung den Tiefpunkt erreicht hatte, rückte mein Chef mit einem Angebot raus: »Ich kann mich für Ihren Vorruhestand stark machen!« Auf einmal klang das für mich wie eine Erlösung! Bald kam ein Abfindungsvertrag zustande.
    Die letzte Beförderung meiner Karriere war eine heimliche Beförderung vor die Tür gewesen: Man hatte mich gezielt zermürbt!
    Ralf Fehrens, Abteilungsleiter
    Wie mein Chef zu meinem Sohn wurde
    Ich lag im Krankenhaus, schon seit einigen Wochen. Meine Firma wusste, dass ich erkrankt war, aber nicht, woran. Ich hatte Prostatakrebs und fürchtete, mit dieser Krankheit endgültig ins Abseits gestellt zu werden. Seit meinem 55. Lebensjahr war ich schon aus mehreren Verteilern gestrichen worden. Wichtige Informationen erreichten mich nicht mehr, Meetings fanden ohne mich statt. Man schob mich aufs Altengleis.
    Mehrfach hatte mein Chef, ein junger Karrierist, schon bei meiner Frau angerufen: »Ich muss für die nächsten Monate planen. Wann ist denn wieder mit Ihrem Mann zu rechnen? Und wie sieht die Diagnose aus?« Meine Frau hatte stets auf die Krankschreibungen der Ärzte verwiesen und ihn abblitzen lassen.
    Umso überraschter war ich, als mein Chef eines Vormittags in mein Krankenhauszimmer platzte. Er drückte mir einen Blumenstrauß in die Hand, der so schäbig war, dass ich ihn nur aus Höflichkeit in die Vase statt in den Müllbehälter steckte. Und dann fragte er:
    »Schon Aussichten auf Besserung?«
    »Aussicht besteht immer.«
    »Meinen Sie damit: Es ist sehr ernst?«
    »Ich möchte mit Ihnen nicht über meine Krankheit reden.«
    »Schon gut, schon gut«, sagte er, »ich bin ja in erster Linie hier, um Ihnen gute Besserung zu wünschen.« Nach zehn anstrengenden Smalltalk-Minuten verabschiedete er sich.
    Kurz danach führte der Chefarzt die Visite in mein Zimmer. Es gab nichts Neues, die Runde wandte sich schon zum Gehen, als der Chefarzt noch sagte: »Und grüßen Sie Ihren Sohn von mir.«
    »Ich habe keinen Sohn«, antwortete ich.
    »Aber ich habe doch gerade noch mit ihm gesprochen. Er hat sich nach Ihrem Befinden erkundigt.«
    Ich schluckte, denn mir war sofort klar, wer sich als mein Sohn ausgegeben hatte.
    Hans-Jürgen

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