Bin ich hier der Depp
nur ergattert, wer auf dem Feld der Arbeitsehre bis zum Umfallen kämpft. Ich kenne eine Firma, in welcher der oberste Boss einen Burn-out einräumen musste. Und plötzlich fanden sich reihenweise weitere Manager, die eilig den Finger hoben und riefen: »Ich auch!«
Unter diesen Umständen sahen sie es als Auszeichnung, an einem »Burn-out« zu leiden. Auch wenn sie damit kein wirkliches Burn-out-Syndrom meinten, sondern nur den üblichen Arbeitsstress.
Hamsterrad-Regel: Der Burn-out kann zwei Ursachen haben: mangelnde Belastbarkeit oder vorbildlichen Einsatz. Die erste Begründung stimmt grundsätzlich bei Mitarbeitern, die zweite bei Managern.
Das Burn-out-Zeitalter: Warum die Arbeitswelt durchdreht
In Motivationsreden sprechen Manager gern vom »Feuer der Begeisterung«, das sie unter ihren Mitarbeitern schüren wollen. Ein Held der Arbeit muss brennen für seinen Job. Aber wer löscht eigentlich, wenn die Flammen zu hoch lodern? Gegen Ausbrennen hilft keine Betriebsfeuerwehr.
Burn-out – der deutschstämmige Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger war es, der diesen Begriff Mitte der 1970er Jahre aus der Physik auf die Arbeitswelt übertrug. In sozialen Berufen hatte er beobachtet, wie die Helfer zu Hilflosen wurden, wie ihr hohes Engagement abglitt in Frust, Zynismus und Desinteresse, wie sie abstürzten in die vollkommene Erschöpfung von Seele, Körper und Geist: den Burn-out. [120]
Die hohe Einsatzfreude, zunächst Trumpf ihres Arbeitslebens, stach mit der Zeit das eigene Privatleben aus. Ihre Hobbys pflegten sie nicht mehr, ihre Familie vernachlässigten sie, zu ihren Freunden gingen sie auf Distanz. Ihr Leben kreiste nur noch um die Arbeit.
Alle Kunden zufriedenstellen, alle Probleme lösen, den Chef beglücken und den eigenen Idealen genügen: Zwischen diesen Anforderungen zerrieben sie sich. Am Ende sahen sie in ihrem Beruf keinen Sinn mehr und wurden zynisch. Wie Roboter spulten sie ihr Tagesprogramm ab, mieden Kontakte und bekämpften die innere Leere manchmal mit äußeren Exzessen, mit Fressorgien, Alkohol oder härteren Drogen.
Ihr Lebenslicht glich einer Taschenlampe, deren Batterie ausging; es wurde schwächer. Depressive Gleichgültigkeit lähmte ihr Leben. Bei einigen ging das Licht aus: Sie begingen Suizid.
Aber gab es dieses totale Ausbrennen nur in Pflegeberufen? War es um das seelische Gleichgewicht in anderen Zweigen der Wirtschaft wirklich besser bestellt? Oder hätte ein solches Eingeständnis von Schwäche einfach nicht zum Image der Unverwüstlichkeit gepasst, das sich die Wirtschaft selbst gab?
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte in Deutschland eine Generation das Sagen, die am Arbeitsplatz nichts mehr schrecken konnte. Über Schlachtfelder voller Leichen, durch zerbombte Städte waren diese Männer marschiert. Den Nazi-Terror hatten sie bestenfalls überstanden, schlimmstenfalls mitgemacht. Diese gestählte Generation marschierte los, um für das Wirtschaftswunder zu kämpfen: als Helden an der Arbeitsfront, harte Kerle, die nie vor ihrer Arbeit kapitulierten, keine Überforderung einräumten. Schon gar keine seelische!
Die Wirtschaft brummte nach dem Krieg, angeheizt durch den Marshall-Plan und steigende Exporte: Von 1950 bis 1960 verdreifachte sich das Bruttosozialprodukt. [121] In derselben Zeit sank die Arbeitslosigkeit von 11 auf 1,3 Prozent. [122]
Noch war die Arbeit bezwingbar, die Mitarbeiter verrichteten sie vor allem mit den Händen und streiften die Gedanken an sie nach Feierabend mit dem Blaumann ab. In den Büros trudelten die Aufgaben mit der Briefpost ein. Wer in Übersee agierte, durfte sich nach einem Brief schon mal zwei, drei Wochen zurücklehnen, ehe die Antwort aus New York wieder nach Nürnberg transportiert war.
Das Arbeitsverhältnis war ein Bund fürs Leben. Der Mitarbeiter warf seine Arbeitskraft in die Waagschale, und im Gegenzug bekam er einen sicheren Arbeitsplatz und ein Gehalt, das schon mal zweistellig steigen konnte, wenn die Gewerkschaften ihre Muskeln spielen ließen. Von 1950 bis 1970 kletterten die Reallöhne auf das Zweieinhalbfache. [123]
Ludwig Erhard ( CDU ), der füllige Zigarren-Kanzler, der 1963 auf Adenauer folgte, hatte schon 1957 in seinem gleichnamigen Bestseller »Wohlstand für alle« versprochen. [124] In den 1960er Jahren wuchs die Bedeutung der Wissensarbeiter, der Kopf entwickelte sich zum wichtigsten Arbeitsinstrument. In den Büros ging es noch gemütlich zu, die Mitarbeiter diskutierten in langen Kaffeepausen über
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