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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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euphorischen Bericht über die Ereignisse des Tages und betete die ganze Nach ein Ave-Maria nach dem anderen.
    Das ging noch monatelang so weiter. Wenn ich mich nicht auf der Veranda meiner Tante voller Zerknirschung in meinen nächtlichen Bußübungen suhlte, war ich bei Kurt – und glücklicher denn je. Manchmal war mir das sehr suspekt. Ein Mann darf dich doch nicht glücklich machen, und schon gar nicht, wenn dir eigentlich kein Glück zusteht! Es war alles eine Illusion. Je glücklicher ich mit Kurt war, desto weniger traute ich diesem Glück und desto tiefer versank ich anschließend in Reue. Glück?, dachte ich. Nicht für mich, nie wieder. Von nun an nur noch härene Hemden und Mea culpa.
    Aber schließlich wich meine Trauer einer Art Staunen: Wenn ich in Kurts Bett aufwachte, betrachtete ich ihn im Schlaf und ließ zu, dass ein winziger Funken Hoffnung mich erwärmte. Vielleicht war es doch echt. Die Liebe, von der ich gehört hatte, die Liebe, die ich bei Indra und Lou zu erkennen geglaubt hatte, die Liebe, nach der ich mich sehnte, war eventuell möglich. Eventuell lag sie sogar gerade neben mir.
    Wenn es eine solche Liebe gibt, dachte ich manchmal, eine Liebe, die dich öffnet wie ein Taschenmesser eine Auster, wenn sie kein Mythos ist, ist dann nicht noch viel mehr möglich?

    Auch nach mehreren Monaten mit Kurt hatte ich gelegentlich noch Schuldgefühle, die mich trafen wie Nachbeben der großen Umwälzung, die ich erlebt hatte. Wieder hielt ich einen Tapetenwechsel für die beste Lösung. Und so fuhren Kurt und ich ein Jahr nach meiner Rückkehr aus New York nach Südamerika, auf der Suche nach Inka-Ruinen und riesigen Gläsern Malbec.
    In Lima erzählte uns unsere Freundin Kathi von einer Heilerin. Kathi und ihre Familie suchen diese Curandera mehrmals im Jahr in Nordperu auf und lassen Reinigungsrituale ausführen. Kurt sah mir an, dass ich bei den Worten Heilerin und Rituale sofort Feuer fing – ich musste diese Heilerin kennenlernen. Sechs Stunden nach einem Ausflug nach Machu Picchu, noch halb im Höhenkoller, saßen wir in einem Flugzeug nach Chiclayo.
    »Wir fahren zu der Zauberin!«, sang Kurt, als in der Morgendämmerung unser Wecker schrillte.

    Nach der Ankunft spazierten wir durch Chiclayo, sahen uns die heißen, staubigen Pyramiden von Túcume an und durchstöberten den Hexenmarkt, auf dem mir ein Mann einen Schrumpfkopf und Moche-Kunst andrehen wollte. Um Mitternacht fuhren wir mit dem Taxi in einen entlegenen Winkel der Stadt, wo wir von streunenden Hunden, Müllhaufen und einer einsamen Straßenlaterne erwartet wurden, deren gelbes Licht fast von der dunklen Nacht aufgesogen wurde.
    Die Heilerin hieß Ysabel. Ihre Assistentin Yolanda begrüßte uns an der Tür, und wir gaben ihr einen Briefumschlag mit Geld, den sie zusammenfaltete und einsteckte, bevor sie uns ins Haus führte. Drinnen war es fast so staubig wie auf der Straße. An den niedrigen Decken hingen Spinnweben.
    Ysabels Mann und ihre Kinder saßen vor einem kleinen, verbeulten Fernseher. Das Haus roch nach Fisch und Bratöl.
    Wir folgten Yolanda zu einer Tür, die in einen kleinen Hof führte. Es war eine klare Nacht, und unser Blick schweifte unwillkürlich zu dem Gespinst aus Sternbildern über uns. Bald darauf saßen wir im Schneidersitz vor einem kleinen Altar, den Ysabel Mesa nannte. Auf ihm befanden sich Fläschchen und Duftwasser, Gebetskarten, Steine, Stöckchen, Figuren, Bänder, ein halbes Dutzend Kruzifixe und eine flache, grauweiße Tupper-Schüssel mit einer grünlichen Flüssigkeit. Das Zeug sah aus wie flüssige Götterspeise, war aber der Saft des leicht halluzinogenen San-Pedro-Kaktus.
    Ich hatte noch nie mit Drogen experimentiert, aber diesen San-Pedro schlürfte ich, als müsse er mich von einer lebensbedrohlichen Krankheit heilen. Als wäre es keine Droge, sondern ein Tor; als würde mich Petrus selbst nach jedem geleerten Becher am Himmelstor willkommen heißen. Ich würde heute durch dieses Tor gehen und morgen im Himmel aufwachen, bei Gott und den Engeln und dem Mann, den ich liebte. Wir tranken, während Ysabel singend auf Spanisch den Rosenkranz betete. Wir tranken und tranken. San-Pedro schmeckte wässrig und bittergrün, als würde man in einen Löwenzahnstängel beißen.
    Als die Wirkung eingesetzt hatte, forderte uns Ysabel auf, uns im Hof hinzustellen. Sie gab Kurt und mir einen glatten Holzstab und forderte uns auf, den Körper damit abzureiben. Gesicht, Arme, Brust, Beine, Füße. Dabei

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