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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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mich entsprechend und versuche, Buße zu tun für meine Sünden.
    Das klingt nach einer ziemlich rigiden Selbstdisziplin, oder? Als wäre ich eine, die nach einem Streit mit der Mama aus lauter Reue und Ergebenheit einen Monat lang bußfertig den Müll von der Straße sammelt wie eine Kleinkriminelle, bis sie irgendwann ihre Strafe abgebüßt hat.
    Sorry, aber das stimmt nicht. Strafe abgebüßt? Nein, nein, nein. Nach meinem Verständnis ist die beste Buße die immerwährende, die man mehr oder weniger jeden Tag bis zum Ende seines Lebens verrichtet. So ähnlich wie bei einer leichten Erkältung, die einen nicht daran hindert, zur Arbeit zu gehen, aber dafür sorgt, dass du dich dort erbärmlich fühlst. Je länger du leiden kannst, desto gottgefälliger bist du. Selbsthass heißt nämlich nichts anderes als Ihm zustimmen. Für diese Art von Buße braucht man keine Selbstdisziplin, nur einen gut funktionierenden Wiederholungsmodus.
    Ich verdiente es, im Land der Pissetrinker festzusitzen. Klar? Ich hatte mich gegen die Lehrer versündigt, von denen ich doch etwas lernen wollte.
     
    Ich hatte mir geschworen, mich in meinem Bali-Tagebuch nicht zu zensieren, aber ich hatte schon, als ich das aufschrieb, gewusst, dass ich nicht ganz bei der Wahrheit bleiben würde. Über eine Sache konnte ich einfach nicht schreiben, ich brachte es nicht über mich. Es war so peinlich, so kindisch und selbstsüchtig und – wie ich hoffte – so untypisch für mich. Ich schrieb zwar, dass Lou mich einschüchterte, aber ich wollte nicht eingestehen, warum er mir solche Angst machte oder warum ich das Gefühl hatte, er sähe auf mich herab wie der unerbittlichste Priester meiner katholischen Kindheit. Dass Lou mich wahrscheinlich für schwach hielt, schrieb ich hin, aber nie den Grund dafür.
    Ich hatte monatelang jeden Penny für meinen Umzug nach New York und meine Bali-Reise gespart. Ich verkaufte Bücher und Kleider und gab Weihnachtsgeschenke zurück. Mein einziger Luxus war meine Mitgliedschaft im Yoga-Studio. Als ich mit Indrou-Yoga anfing, brauchte ich noch einen letzten Schein für meinen Abschluss in Komparatistik, und nahm an einem Seminar mit dem Titel »Terror, Apokalypse, Revolution« teil, das perfekt zu meinem Gemütszustand passte. Aber es passte auch perfekt zu meinen mageren Finanzen, denn für Studenten war der Monatsbeitrag im Studio ermäßigt. Als das Seminar zu Ende war, war ich keine Studentin mehr, was bedeutete, dass ich jeden Monat für meinen Yoga-Kurs fast doppelt so viel lockermachen musste.
    Gemäß der Yoga-Sutras sollen wir dankbar sein für das Vorhandene und uns nicht auf das konzentrieren, was wir nicht haben, aber gerne hätten (zum Beispiel die 40-Dollar-Kerzen im Yoga-Shop, die mit dem unbehandelten Bienenwachs und der naturbelassenen Body-Butter, deren Duftbouquet angeblich meinen ayurvedischen Doshas zu größerem Gleichgewicht verhelfen würde). Das nennt sich die »Praxis der Fülle«, und sie fällt einem bestimmt viel leichter, wenn man jede Menge Kohle hat.
    Auftritt Karlee, eine meiner besten Freundinnen aus dem College und eine Frau mit ausnehmend flexiblen Moralvorstellungen. (»Wer im Glashaus sitzt …«, mäkelt der lästige Bruder im Himmel.) Nach Karlees Auffassung würde niemand, der es mit Yoga ernst meint, Künstlerinnen – damit meinte sie uns – so viel Geld abknöpfen. »Das würde gegen Samtosha verstoßen«, erklärte sie mir eines Tages, während sie vergnügt drei Müsliriegel aus dem QFC-Supermarkt mitgehen ließ. »Äh, nein. Warte mal – gegen Ahimsa . Oder so ähnlich, ach, egal. Es geht darum, nicht habgierig zu sein. Die Praxis der Fülle. Du weißt schon. Außerdem ist alles nur Illusion. Deshalb ist sowieso nichts von Bedeutung.«
    Karlee glaubte an die yogische Vorstellung von der Fülle, aber unter umgekehrten Vorzeichen. Beim Yoga geht es darum, sich nicht auf das zu fixieren, was uns fehlt, sondern zu erkennen, dass wir alles, was wir brauchen, schon haben; man konzentriert sich auf die Fülle statt auf den Mangel. In Karlees Welt bedeutete das: Alles ist in Hülle und Fülle vorhanden, und die ganze Welt ist ein großer Garten. Pflück dir, was du brauchst. Alles gehört allen, einschließlich Sonne, Regen, Zeit, Müsliriegel und neunzigminütige Yoga-Kurse inklusive Sonnengruß und Pranayama. Eine Yogini, die sich für Geld interessierte, konnte in Karlees Welt auch gleich Aerobic unterrichten. »Eine geschäftstüchtige Yoga-Lehrerin ist keine

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