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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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ihr weiter lernen konnte. Ich betrog sie, um sie bezahlen zu können! Als Lou seine sehnigen Arme zum ersten Sonnengruß hob, fiel sein Blick auf mich. Er ließ die Arme sinken.
    »Wie heißt du?«
    Ich schluckte. »Suzanne Morrison.«
    Er nickte aufmerksam. Seine Arme flogen in die Höhe, und wir legten los.
    Als ich nach dem Unterricht in einer Schweißpfütze auf der Matte lag und mich ausruhte, sagte Lou: »Suzanne Morrison, kann ich dich kurz sprechen?«
    Es stellte sich heraus, dass die Ersatzlehrer schlauer waren, als Karlee gedacht hatte. Sie wussten sehr wohl, wer wir waren, und hatten sich notiert, wie oft wir teilgenommen hatten, ohne zu bezahlen.
    »Du hast noch fünf Kursstunden zu zahlen«, sagte Lou. Sein Blick bohrte sich in meinen. »Du und deine Freundin, ihr seid letzte Woche gegangen, ohne zu unterschreiben.«
    »Echt?« Schwitzend und mit rotem Gesicht holte ich mein Scheckbuch hervor. »W-wie viel schulde ich euch?« Und dann schrieb ich einen Scheck über die doppelte Summe aus, die Hälfte als Anzahlung für zukünftige Kursstunden. Als Goodwill-Geste gewissermaßen.
    Mein klassisches Verhaltensmuster. Genau wie als Kind, als ich meinem Dad zu Weihnachten mein Sparschwein schenkte, weil ich Angst hatte, der Nikolaus könnte gemerkt haben, dass ich von Dads Schlafzimmerkommode jede Menge Pennys eingesammelt hatte.
    Lou beobachtete mich, während ich den Scheck ausstellte. Er machte dabei ein maßlos enttäuschtes Gesicht, und in seinen Augen flackerte eine Art Kung-Fu-Irrsinn, so als würde er mir gleich mental in den Hintern treten, wenn ich nicht schnell genug schrieb.
    Ich hätte Karlee erwürgen können und rief sie von zu Hause sofort an. Ich war schwer in Versuchung, das nicht zu tun, weil sie es verdiente, genauso gedemütigt zu werden wie ich, aber sie tat mir dann doch leid. Okay, ehrlich gesagt hatte ich Angst, sie würde die Gaunerei zugeben, wenn sie erwischt wurde, und dann wäre meine halbgare Erklärung, dass ich fünfmal hintereinander vergessen hatte zu bezahlen, gleich der nächste Frevel, der mir einen tadelnden Blick von Guru Lou einbringen würde. Also warnte ich sie, und als sie am nächsten Tag zum Yoga kam, hatte sie eine Geschichte parat und faselte etwas, sie sei »plötzlich unsicher geworden«, ob sie nicht vergessen hätte, ihren Monatsbeitrag zu zahlen. »Ich versenke mich so tief in meine Yoga-Praxis, dass die Monate dahingehen und ich die weltlichen Details ganz vergesse, weißt du?« Bedeutungsvoller Augenkontakt, verlegenes Achselzucken, leichtes Erröten. Ich hätte sie umbringen können – und dann mich selbst.
     
    Ich war nach Bali geflogen, um bei Indra Yoga zu lernen. Aber ich musste auch Lou etwas beweisen. Mir wäre lieb gewesen, wenn er gedacht hätte, ich hätte das Yoga-Studio nur deshalb beklaut, weil ich das Yoga so wahnsinnig ernst nahm. Lahme Ausrede? Na gut. Aber auch typisch für jemanden, der die volle Ladung Schuldgefühle und keine Spur Glauben hat: Wahre Buße hätte bedeutet, ich gebe alles zu und schrubbe ein Jahr lang Lous Kloschüssel. Eine spirituelle Disziplin erlegt dir eine begrenzte Strafe auf, die dem Vergehen entspricht. Ich dagegen quälte mich mit dem Gedanken rum, dass Lou in meinen Augen immer nur die Sünde sah, die ich nicht gebeichtet hatte, obwohl ich mich nachher sicher erleichtert gefühlt hätte und obwohl ich mich liebend gern an den reinen Tisch gesetzt hätte, der mich nach Mums Worten nach der Beichte erwartete.
    In Wahrheit musste ich bleiben. Nicht nur, um Buße zu tun, sondern auch, weil ich an etwas dran war. Das spürte ich. Der Moment im Anfangskreis, als Indra mir in die Augen gesehen und gesagt hatte, dass wir alle Angst vor dem Tod haben, klang wie ein Versprechen; Indra konnte mir helfen, sie wusste, wovon ich sprach. Wenn sie mir helfen konnte, ohne Angst zu leben, blieb ich eben bei dieser Pissetrinker-Sekte. Das war die Sache wert. Die andere Option – weggehen, aufgeben, ohne Aussicht auf Befreiung in mein altes Leben zurückkehren – war überhaupt keine Option. Dieser Weg führte in den Tod. Indra konnte mich zum Leben führen.
    Klar, immer wenn ich daran dachte, was meine Mit-Yogis jeden Morgen als Erstes trieben, wurde mir übel. Aber ich war auch fasziniert. Diese erste Woche auf Bali war eine verflixt schräge Erfahrung – in einer Sekunde konnte ich kaum fassen, wie vielfältig die Welt war, und in der nächsten packte mich das schiere Entsetzen, wenn ich daran dachte, dass vielleicht

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