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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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lernst du, wie du deine Sexualität und Geschlechtsidentität dir selbst und dem anderen Geschlecht gegenüber zum Ausdruck bringst. Die Übung geht so: Man steht sich gegenüber und sagt abwechselnd etwas.« Sie stand auf und zog mich hoch, so dass wir uns, von ein paar grünen Ranken getrennt, gegenüberstanden. »Ich hatte als Partner einen Mann, den ich unglaublich attraktiv fand, oh, Suzanne! Er war so groß und kräftig!« Ihre Hände lagen auf meinen Schultern.
    Ich lachte. »Weiter.«
    »Ich sollte ja zu ihm sagen und all meine weibliche sexuelle Energie bündeln und sie mit diesem einen Wort auf ihn fließen lassen, verstehst du?«
    »Okay«, sagte ich mit tiefer Stimme und packte Jessica am Arm. »Hast du das gespürt? Ich habe gerade okay gesagt und all meine weibliche sexuelle Energie gebündelt – hast du sie abgekriegt?«
    »Ich meine es ernst, Suzanne. Das ist kein Hirngespinst.«
    »Tut mir leid«, sagte ich zerknirscht und stellte mich wieder aufrecht hin. Ich legte ihr die Hände auf die Schultern. »Es tut mir leid, mach weiter.«
    »Okay, ich sollte ja sagen, und dann sollte er, je nachdem, ob er meine weibliche Energie gespürt hat oder nicht, ja oder nein sagen.« Sie holte Luft. »Als er an der Reihe war, hat er mir tief in die Augen geblickt und ja! gesagt. Aber er hatte diese ganz hohe, weibliche Fistelstimme. Das hatte ich überhaupt nicht erwartet, wo er doch so ein riesiger Afroamerikaner war und so maskulin aussah! Also habe ich nein gesagt, und er hat wieder ja! gesagt, wieder in dieser fiepsigen Mädchenstimme! Ich konnte es nicht fassen! Also habe ich wieder nein gesagt, und dann …!« Sie holte hektisch Luft und griff sich ans Herz. »Und dann … dann sagte er« – sie senkte den Kopf, quetschte ein Doppelkinn hervor und sagte mit tiefer, kehliger Stimme: »JA!«
    Jessica klatschte in die Hände, kniff die Augen zusammen und hüpfte auf und ab. »Oh, Suzanne. Er hat wie ein richtiger Mann geredet!«
    »Ach, du Goldkind«, sagte ich. Ich legte ihr den Arm um die Schulter, und wir gingen langsam weiter, drei Schritte bis zur nächsten Stufe, vier bis zur übernächsten, und so weiter, bis wir oben angekommen waren.
    Diesen Teil unseres Nachtspaziergangs haben wir am liebsten. Vom oberen Ende der Treppe aus sieht man schon die Reisfelder und das weitläufige Dorf. Kleine und große Bungalows ragen aus dem üppigen Grün heraus wie leuchtende Laternen. Der Wald umgibt das Dorf von allen Seiten, aber hier an dieser Stelle verdecken nur ein paar Bäume den Blick auf den Himmel. So viele Sterne! Mein Gott, man sieht hier mehr Sterne als an allen anderen Orten, die ich kenne. Oder vielleicht schaue ich nur genauer hin. Vielleicht macht es die ständige Innenschau leichter, sich der Welt zuzuwenden und wirklich zu sehen .
    Wir blieben unwillkürlich stehen, und ich sah, dass Jessica glückselig strahlte. Sie sah so aus, wie ich mich fühlte. Die Gamelan-Musik wehte vom Dorf zu uns her und verstärkte das Gefühl, dass wir in eine andere Welt aufgestiegen waren. Ich sah meine neue Freundin an und war bezaubert. Wir hakten uns ein und gingen langsam weiter, den Kopf in den Nacken gelegt, den Blick zum Himmel gewandt.

17. März
    Noadhi, der Balian, hat mich davor gewarnt, nachts alleine nach draußen zu gehen. Wir waren bei Indra und Lou zu Hause. Ich hob fragend die Augenbrauen. Vergewaltiger? Räuber? O nein. Leyaks. Böse Zauberer. Gut, so hat er sie nicht direkt genannt, aber mir gefallen die Worte. Eigentlich hat er gesagt, dass Leyaks Männer und Frauen sind, die schwarze Magie praktizieren. Sie erscheinen manchmal in Gestalt von Ungeheuern oder riesigen Vögeln. Wenn man einen Leyak sieht, sagte er, kann es passieren, dass man innerhalb einer Woche stirbt und niemand weiß, warum. Ein Leyak tötet dich mit geistigen, nicht mit physischen Mitteln.
    Am interessantesten an Noadhis Warnung fand ich, dass Leyaks nicht eigentlich böse sind, sondern ein Talent für die dunklen Künste haben und sie deshalb ausüben müssen. Es ist ihr Dharma, nehme ich an. Die Anwesenheit eines Leyak erkennt man daran, dass einem schwarz vor Augen wird und man einen süßen, erdigen Geruch wahrnimmt. Fast hätte ich ihm erzählt, dass ich diesen Geruch jeden Morgen wahrnehme, wenn meine Mit-Yogis im Wantilan ihre ersten Drehübungen machen, aber dann habe ich es mir doch lieber verkniffen.
    Ich nenne das meine Reifeübung .

18. März
    Noadhi kam heute rüber, um Jason zu massieren, und während er

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