Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
Vom Netzwerk:
Feen, Elfen oder Kobolde!«
    Dass Menschen das Konzept verworfen haben, sich einer Sache sicher zu sein, ohne dafür Beweise oder wenigstens Hinweise zu haben, will er einfach nicht verstehen. Hartnäckig geht er verschiedene Beispiele mit mir durch. Gut, dass ich genau solche Situationen vorher mit den anderen geübt habe.
    »Aber Sie glauben doch zum Beispiel auch«, sagt er, »dass ihre Mutter Sie liebt.«
    »Nein – ich nehme an, dass es so ist, weil sie sich so verhält. Ich stelle aufgrund meiner Sinneseindrücke eine intuitive Vermutung darüber an – das ist etwas anderes, als es zu glauben. Ich kann meiner Mutter zum Beispiel ansehen, dass sie mich liebt.«
    »Und was ist dann mit der Erdanziehungskraft? Die können Sie nicht sehen – und trotzdem wissen wir alle, dass sie da ist! So wie Gott.«
    Seine Kollegen klopfen ihm auf die Schulter und nicken andächtig, ich dagegen freue mich, endlich meiner Lehrerkind-typischen Passion fürs Besserwissen nachgehen zu können.
    »Die Auswirkungen der Gravitation lassen sich von mehreren Personen unabhängig voneinander überprüfen – mit demselben Ergebnis. Anders als Gott.«
    »Und was ist mit der Evolution?«, wirft eine seiner Kolleginnen laut ein. »Das ist doch auch nur ’ne Theorie!«
    »Eine Theorie, die durch tonnenweise Belege bestätigt wurde«, entgegne ich und habe Schwierigkeiten, Ruhe zu bewahren. »Genau wie die Gravitation – schließlich springen Sie auch nicht vom Hochhaus!«
    Schnell dreht sich unsere Diskussion im Kreis. Immer, wenn ich versuche, mit Fakten oder Logik zu arbeiten, verstecken sich die Jesusfreaks hinter der Begründung, sie würden es halt einfach glauben.
    »Das ist doch Ihr gutes Recht«, sage ich. »Aber erwarten Sie bitte nicht, dass andere es nachvollziehen können – geschweige denn, sich an die Regeln Ihres Glaubens halten. Vielleicht können wir uns ja darauf einigen: Sie glauben an Gott, wir nicht. Und deswegen sprechen wir uns dagegen aus, dass Ihre Glaubensvorstellungen in unsere Gesetzbücher einfließen. Wenn Sie nach der Bibel leben wollen: bitte! Aber lassen Sie mich tun, was ich will.«
    Weil die Jesusfreaks nun ankündigen, uns auf der ganzen Tour zu begleiten, jubelt die Presse wieder und kann beide Positionen nun nach bester journalistischer Tradition einander gegenüberstellen. Nach drei moderierten Stadtrundfahrten mit Journalisten, Fernsehteams und begeisterten Freigeistern werde ich langsam heiser. Dann kommt der Platzregen. Wir schließen das Verdeck und verlassen die Stadt Richtung Ostsee. Drei Wochen Tour erwarten uns nun.
    »Musst du eigentlich gar nicht arbeiten?«, will der Journalist wissen, der uns für eine Dokumentation begleitet. »Du bist doch eigentlich Lehrer …«
    »Doch, aber die Schule ist ja zum Glück nur unter der Woche geöffnet«, antworte ich mit einem Augenzwinkern. »Am Wochenende bin ich Pressesprecher.«
    Während die Sonne hinterm Horizont verschwindet, sitzen wir im Oberdeck, sprechen über Gott und die Welt, trinken ein kaltes Bier und rauchen. Bei leicht geöffnetem Verdeck schippern wir gemütlich über die Autobahn. Roadtrip-Romantik der ganz besonderen Art.

    2009, 31. Mai. Auf einer Raststätte nahe Rostock steige ich aus dem Wohnmobil, das wir als Begleitfahrzeug gemietet haben. Eine Reisegruppe aus Bayern entdeckt unseren Bus, echauffiert sich lauthals. Ein weißhaariger Mann erhebt seinen Wanderstock gegen mich, die Kameras laufen. »Keinen Gott?«, fragt er und schüttelt den Kopf. »Ihr seids doch bekloppt!«
    In Schwerin entdeckt ein Junge unseren Slogan und zuppelt seiner Mutter aufgeregt am Rockzipfel: »Guck mal Mama, der Bus lügt!«
    Am Pfingstmontag stehen wir am Hamburger Fischmarkt mit Blick auf den Hafen. Nach den Stadtrundfahrten finden Lesungen und Vorträge im Oberdeck statt. »Ich fühle mich durch Ihren Bus beleidigt!«, teilt mir eine Frau unten mit.
    »Das tut mir leid«, sage ich, »aber wir kritisieren hier nur eine Idee – nicht Sie persönlich.«
    »Aber ich glaube nun mal an Gott!«
    »Wird unser Bus daran etwas ändern?«
    »Auf keinen Fall!«
    Na dann …
    Viele Rentner, Familien und junge Pärchen besuchen uns in Scharen, beglückwünschen uns zu der Aktion. Weiter so! Endlich mal jemand, der den Kirchen widerspricht! Erschlagen von dem ereignisreichen Wochenende, steige ich am späten Sonntagabend in Berlin aus dem ICE . Schließlich muss ich morgen wieder zur Schule …

    2009, 05. Juni. Nach einer verstörend anstrengenden

Weitere Kostenlose Bücher