Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
der Unbekannteste. Nur die Nonnen wissen offenbar Bescheid und schütteln verächtlich die Köpfe, als ich die Bühne betrete. Hoffentlich bespritzen sie mich nicht gleich mit Weihwasser.
20:30 Uhr. Ich stehe am Rednerpult, mein Schwert gezückt, und hole zum ersten Hieb aus. »Herr Matussek: Wer leichter glaubt, wird schwerer klug!«
Der lächelt müde, das Raunen im Saal bestätigt jedoch einen ersten, wenn auch leichten Treffer. Ich steige schnell in meinen Text ein, schließlich will ich alles loswerden, bevor die rote Lampe angeht. Zuerst einmal bin ich ehrlich zum Publikum, teile ihnen mit, dass ich dem Disput mit gemischten Gefühlen entgegengeblickt habe, »und das hängt damit zusammen, dass der Job des Religionskritikers auf der einen Seite sehr leicht ist, auf der anderen aber auch verdammt schwer. Leicht ist er deshalb«, sage ich, »weil es schlicht und einfach absurd ist, an einen Gott zu glauben, nur weil man sein Gegenteil nicht beweisen kann. Das gilt nämlich auch für die Zahnfee, und an die glaubt schließlich auch kein erwachsener Mensch.«
Stefan Aust nickt, ich verweise auf die religiös bedingte Spaltung zwischen Menschengruppen, die Kriege hervorruft oder begünstigt. Dann nenne ich einige große Vordenker, »sei es Epikur, Darwin, Marx, Nietzsche, Feuerbach, Kant … Ich könnte viele Namen nennen.« Schließlich erinnere ich daran, dass sich Religionskritik in letzter Zeit sogar von selbst gemacht habe, »bedenkt man die systematische Vertuschung der massiven Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen«.
Stille im Publikum, dann der Spruch, den ich meiner Rede eben noch hinzugefügt habe: »Schwer ist der Job allerdings deshalb, weil wir schließlich staatlich finanzieren«, ich wende mich an den evangelischen Hirten mit dem professionellen Lächeln, »dass Menschen wie Herr Huber dafür bezahlt werden, eine rhetorische Ausbildung zu machen – das Ganze nennt sich dann Theologiestudium.«
Der hat gesessen, das Publikum lacht, klatscht, lässt mich erst einmal nicht weitersprechen. Sogar Huber lacht, obwohl ich ihn getroffen habe. Mein eben noch geschärfter Elbenstahl erweist mir beste Dienste, mein Zeitkonto leidet jedoch etwas unter dem Applaus – schließlich geht es hier um Sekunden!
»Schwer ist der Job auch deshalb«, fahre ich endlich fort, »weil sich Menschen, wenn sie erst einmal erfolgreich indoktriniert wurden, häufig gegen Kritik immunisieren und manchmal auch persönlich beleidigt fühlen. Das mag der ein oder andere von Ihnen jetzt auch merken …«
Wieder ein kleiner Lacher, aber freut euch bloß nicht zu früh! Mein nächster Schlag zählt nämlich zu den spitzesten Argumenten, die auf dem Amboss der Aufklärung je geschmiedet wurden.
»Schwer ist der Job auch deshalb, weil uns Politiker immer wieder weismachen wollen, dass wir hier die Werte des christlichen Abendlandes genießen, obwohl doch Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau gegen Religion erkämpft werden mussten!«
Wie geplant folgt Applaus – zu viel Applaus.
»Das ist nett«, sage ich mit einem frechen Lächeln, »aber sie rauben mir Zeit!«
Der Saal lacht, klatscht, ich finde immer mehr Freude an meinem Auftritt und konnte wieder ein paar Orks in die Flucht schlagen.
»Die Caritas-Legende trägt auch dazu bei, dass sogar kirchenferne Menschen meinen, die Kirchen täten doch so viel Gutes – dabei muss man sagen: Caritas und Diakonie werden zu 1,8 Prozent von den Kirchen finanziert, der Rest kommt aus öffentlicher Hand. Eine billige Werbung also!«
Im vorletzten Teil weise ich darauf hin, dass Religionskritik – so schwer der Job auch sein mag – bitter nötig ist, »denn solange deutsche Bistümer aus Steuergeldern finanziert, aber vom undemokratischen Vatikan gesteuert werden, solange wir Berufschristen dafür bezahlen, Homosexualität als widernatürliche Sünde zu bezeichnen, solange wir die nötige Kritik am Islam als islamophob oder als rassistisch bezeichnen, so lange kann und muss Religion kritisiert werden!«.
Gleich habe ich es geschafft, jetzt muss ich nur noch zeigen, dass wir auch Alternativen zur Religion parat haben, und zwar in Form der drei Stützpfeiler von Humanismus und Aufklärung: »Wissenschaft, um Erkenntnisse über diese Welt zu erlangen, Philosophie, um diese Erkenntnisse zu deuten, und Kunst, um dem Wunsch des Menschen gerecht zu werden nach Kreativität und nach Lebensfreude.«
20:33 Uhr.
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