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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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Kids sein, denen außerhalb der Schule kaum ein Erwachsener zuhört. Natürlich war der Job heftig und hat mich nicht nur einmal an den Rand der Verzweiflung gebracht – aber im Vergleich zu der vollkommen sinnfreien Tätigkeit als telefonierender Tagelöhner kommt mir der Lehrerjob in der Retrospektive wie das berufliche Paradies auf Erden vor.
    »Mal abwarten, ob du da auch so gute Geschichten erlebst«, ruft Max.
    Alle lachen, und auch ich versuche, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Ob sich die Storys vom Schulhof toppen lassen? »Bessere«, verspreche ich dann tapfer.
    »Wen ruft man denn so an als Callcenteragent?«, fragt Nuray.
    »Neulich hatte ich einen Typen dran, der steif und fest behauptete, ich wäre sein Schwager Theo, der ihm nur einen Streich spielen wolle«, sage ich. »Schließlich hat er versprochen, mich beim nächsten Familientreffen untern Tisch zu saufen.«
    Danach berichte ich von der älteren Hamburgerin, die unser Interview auf dem Balkon führte und während des Gesprächs mehrmals von Möwen attackiert wurde.
    »Im Frageblock zu politischen Einstellungen konnte mir ein junger Mann aus Bochum partout nicht sagen, welche Partei er wählen würde, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, weil er weder von der SPD noch von der CDU , der CSU , der FDP , den Linken oder den Grünen je gehört hatte. Stattdessen sollte ich die deutsche Autofahrerpartei für ihn ankreuzen.«
    Dann fällt mir noch die Beamtin aus Trier ein, die unbedingt Günther Jauch als Kanzlerkandidaten vermerkt haben wollte. Schließlich gehe ich zum Themenkomplex Haustiere über und erzähle die Geschichte von dem Lehrer aus Augsburg, der angab, er lebe mit zweiunddreißig Wellensittichen zusammen, deren Voliere sein Wohnzimmer sei.
    »Am besten hat mir allerdings der Psychologe aus München gefallen«, schließe ich meinen kleinen Bericht ab, »der behauptete, seine zwei Deutschen Doggen ausschließlich vegan zu ernähren.«
    Zu meiner eigenen Überraschung gibt der Job doch ein paar nette Storys her, und auch Sarah sieht mich verwundert an – immerhin kennt sie bisher nur mein Klagen über die öde Arbeit und die schrägen Kollegen.
    Als sich die eingelegten Oliven, die marinierten Scampi-Spieße und das Aioli dem Ende neigen, verabschiedet sich der erste Teil der Gruppe. Auch Sarah zieht ihren Mantel an.
    »Müssen wir etwa schon los?«, will ich überrascht wissen.
    »Ich denke schon«, sagt sie, »immerhin ist heute Babysitterpremiere. Ich will deine Schwester nicht so lange warten lassen.«
    »Aber Sophia hat nicht ein einziges Mal angerufen«, versuche ich mein Glück, denn so richtig gern möchte ich noch nicht nach Hause. »Scheint doch alles okay zu sein.«
    »Bleib du ruhig noch ein bisschen«, meint Sarah und gibt mir einen Kuss. »Aber denk dran: Klara ist morgen ab sechs Uhr wach!«
    Ein paar Gläser später verabschieden sich auch Nuray und ihr Mann, den morgen wieder eine Frühschicht im Krankenhaus erwartet, und so bleiben nur noch Max und ich sitzen. Während des Studiums entschieden wir uns oft gegen den Hörsaal und stattdessen für eines der Studicafés. Dort gelangten wir bei unseren langen Gesprächen nicht selten zu mehr Erkenntnisgewinn als auf den Holzbänken. Zumindest in unserer Wahrnehmung.
    »Ach, mein lieber Max«, sage ich leicht weinselig, als der Kellner uns zur letzten Runde auffordert. »Ich vermisse die Schule echt! Das war zwar superanstrengend, aber wenigstens sinnvoll – im Gegensatz zu diesem Schwachsinn im Callcenter.«
    »Warum machst du’s dann?«
    Ratlos schüttele ich den Kopf. »Weil ich mir einbilde, von dort aus was Besseres zu finden?«
    Max lächelt mich an. »Was hältst du von einem Abstecher ins Nachtleben? Gegen die schlechte Laune.«
    Ich zögere einen Moment. Auf der einen Seite gab es den Hinweis von Sarah, die glücklicherweise meist vorausschauender ist als ich: Ab sechs will Klara wieder beschäftigt werden. Auf der anderen Seite erwartet mich ab Montag wieder der schnöde Alltag – und ein bisschen Party könnte mich tatsächlich mal wieder auf andere Gedanken bringen.
    »Na gut!« Ich hebe mein Glas für den letzten Schluck. »Aber wirklich nur ein Abstecher …«
    »Also: Ab ins Berghain«, beschließt er.
    Ich nicke und proste ihm zu: »Auf die alten Zeiten!«

    Während der Taxifahrt freue ich mich schon darauf, Geierchens Freaktheorie mal wieder an der Wirklichkeit überprüfen zu können. Schon zu Studienzeiten haben Max und ich im Berghain,

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