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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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schwerer finde ich ihn, und angesichts der Vielzahl an Adaptern war ich eben schon kurz davor, einen Verkäufer um Hilfe zu bitten. Aber nicht Herr Graufuß – ein Griff, und der Adapter ist da. Hut ab!
    Auf unserem Weg zur Kasse suche ich vergeblich nach einem weiblichen Kunden für Elektronikkleinteile, doch weit und breit ist keine Frau zu sehen. Vielleicht fühlen sich die Herren hier deswegen so frei? Ist es eventuell die Abwesenheit potenzieller Sexualpartner, die Menschen, selbst alte Männer, dazu verleitet, sich von gewissen Benimmregeln freizumachen? Aus evolutionspsychologischer Perspektive würde es ja einleuchten – denn wozu sollte ich mich von meiner Schokoladenseite zeigen, wenn niemand da ist, der mich vernaschen möchte? Von weiblichen Zusammenkünften jeglicher Art kann ich dies naturgemäß nicht bestätigen, aber es ist wohl kein Geheimnis, dass die Stimmung in reinen Männergruppen stets zwischen purer Langeweile und brachialer Hemmungslosigkeit schwankt, die nur durch die Anwesenheit einer Frau verhindert werden kann.
    An der Kasse ist es dann so weit: Die erste Dame, die mir hier begegnet, sitzt dahinter. Entsprechend sind einige der Anwesenden, zu denen auch mein Vermieter gehört, etwas eingeschüchtert. Für andere wiederum – wie die zwei etwas jüngeren Handwerker vor mir – gilt die weibliche Präsenz eher als Anreiz dafür, möglichst laut auf sich aufmerksam zu machen. Auf unserem abermals stillen Heimweg wundere ich mich mal wieder darüber, dass wir Menschen zwar Mikrochips und Nanoroboter bauen können, in unserem zwischenmenschlichen Verhalten aber täglich beweisen, dass wir uns von anderen Säugetieren erstaunlich wenig unterscheiden.
    Bei den Graufußens angekommen, ist der Anschluss des Geräts ein Leichtes, und dank der automatischen Sendersuche sind auch die unzähligen Programme schnell gefunden. Gemeinsam mit dem Hausherrn wuchte ich die alte Glotze in die Schrankwand, während es sich die ihm Angetraute schon auf der Couch bequem macht. Herr Graufuß drückt auf der Tastatur herum, dann zeichnet sich langsam ein Bild auf dem Fernseher ab. Frau Graufuß’ Gesichtszüge entspannen sich. Leise atmet sie aus, lehnt sich auf der Couch zurück und greift lächelnd nach der Hand ihres Gatten. »Danke, Männers!«
    Dann ertönt der Gong und kündigt die wahrscheinlich zweitberühmteste Melodie des deutschen Fernsehens an: »Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau. Guten Tag meine Damen und Herren …«
    Viertel nach vier? Ich muss nach Hause! Mit einem leichten Restkater verstreicht ein spätsommerlicher Sonntag, bis wir Klara um kurz vor acht ins Bett bringen und uns auf der Couch über das Weltgeschehen informieren lassen. Dann wird der Bildschirm weinrot und zeigt einen bedeutungsschwangeren Augenaufschlag, der daraufhin ins Fadenkreuz genommen wird – der Tatort beginnt. Und weil ich müde genug bin, schaue ich mir heute sogar mal den Münsteraner Klamauk an. Irgendwie beruhigend zu wissen, dass diese neunzig Minuten eine ganze Nation zusammenbringen. Ob Spießer, Berghain-Druffi oder Pädagogenpärchen: Am Sonntag läuft der Tatort – komme, was da wolle!



8
AUF DEM RADWEG ZUR HÖLLE
    D ie Bäume sind inzwischen vollkommen kahl, und ihr Laub ist zusammengekehrt, die Tage werden immer kürzer, und die Temperatur ist endgültig auf Novemberniveau angekommen. Letzteres gilt auch für meine Stimmung, denn noch immer hat sich an meiner beruflichen Situation nichts geändert. Vor meinen Schichten im Callcenter stehe ich meist früh auf, schreibe am Esstisch Bewerbungen und freue mich dann schon fast darüber, manchmal wenigstens eine Absage zu erhalten, statt lediglich ignoriert zu werden. Es ist wie verhext: Durch meinen beruflichen Ausflug in die Welt der Berliner Grundschulen habe ich wohl den inoffiziellen Fahrplan für Hochschulabsolventen missachtet. Der sieht nämlich vor, allerspätestens nach dem Studium auf den schnellsten Zug in das entsprechende Berufsfeld aufzuspringen. Meiner ist nun schon abgefahren, und so sitze ich mit der falschen Fahrkarte in der Hand am falschen Gleis und schaue den Schnellzügen zu, die an mir vorbeidonnern, immer kleiner werden und schließlich am Horizont verschwinden.
    Wie so oft in den letzten Tagen klappe ich ernüchtert den Laptop zu, doch dann geschieht etwas Ungewöhnliches: Unser Festnetztelefon klingelt. Weil ich seit Jahren eigentlich nur noch auf dem Handy angerufen werde, nähere ich mich dem Apparat in

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