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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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wieder weg, als es gekommen ist. Und: Erfahrungen, aber die sammeln wir alle – ob wir es wollen oder nicht. In meinem ganzen Leben hat jedoch noch kein Gegenstand das Bedürfnis in mir geweckt, besonders viele seiner Art in meinen Besitz zu bringen.
    »Wo ick zwanzich war«, schwärmt Frau Graufuß, ohne dabei den Blick von der Wand zu nehmen, »da jinget los. Seitdem hab ick mir immer wieder ’ne Hummel-Figur jekooft, wenn ick mir dit leisten konnte.«
    »Hummel-Figur?« Vergeblich suche ich nach den schwarz-gelben Insekten.
    »Na, die Kinder! Die wurden alle nach Malereien der Franziskanernonne Maria Hummel jeferticht.«
    Dann erklärt mir Frau Graufuß hastig, wann, wo und wie die Figuren hergestellt werden, erläutert den historischen Hintergrund ihrer Entstehung und berichtet von den jährlichen Reisen zum Treffen eines Hummel-Vereins, der allein in Deutschland mehrere Tausend Mitglieder zählt.
    »Was es alles gibt«, denke ich laut. Auch ich kann meinen Blick nicht von diesem Sammelsurium vordergründig zweckfreier Gegenstände lösen. »Und die kleinen Bügeleisen, Spieluhren und Mini-Kaffeetassen?«
    »Ach, dit sind nur Staubfänger, die hamm nur idejellen Wert«, meint sie. »Am wertvollsten sind – neben die Hummel-Figuren natürlich – die Setzkästen selba«, erklärt sie und fährt dabei mit den Fingerspitzen über den Rand einer Holzkiste. »Allet Orijinale aus alten Druckereien.« Ohne ein Lächeln schaut sie mich mit großen Augen an: »Neunzehntet Jahrhundert!«
    Ich bin gefesselt von der Sammlung. Wie viel Zeit und Geld Frau Graufuß wohl in dieses Hobby investiert hat? Wie schaffen es diese Gegenstände bloß, eine derartige Leidenschaft in ihr zu entfachen? Doch sowenig ich ihr Verhalten nachvollziehen kann, so freaky es mir auch erscheint – letztlich ist es ja ihr Ding.
    Gemeinsam staunen wir noch ein bisschen – ich über sie, sie über ihre Sammlung –, bis Herr Graufuß mit einer zweiten Leiter in der Hand den Raum betritt. »Kommse«, mault er mich an, denn allem Anschein nach hat der Ausflug in den Keller seine Laune nicht verbessert, »wir schrauben jetzt die Schüssel an.«
    Gar nicht so leicht wie gesagt. Die Montage der Satellitenschüssel erweist sich selbst zu zweit als ziemlich schwierig, doch nach einer guten halben Stunde haben wir es geschafft: Das Ungetüm ist erfolgreich an der Hauswand angebracht. Bis zum einzigartigen Genuss der mehreren Hundert Fernsehsender ist jedoch noch einiges zu tun, denn als ich an der Rückseite des Satellitenreceivers ausschließlich digitale und an dem etwas in die Jahre gekommenen Fernsehgerät nur analoge Anschlüsse entdecke, wird schnell klar, dass die Geräte ohne Adapter nicht kompatibel sind.
    Nach all den Mühen der letzten Stunden und dem Geld, das die beiden investiert haben, ist dies natürlich eine schlechte Nachricht. Erschöpft lässt sich Herr Graufuß auf dem Sessel nieder, in dem er augenblicklich in eine von seinem Hintern vorgeformte Kuhle sinkt. Dann ruft er nach seiner Frau und teilt ihr die Hiobsbotschaft mit. Erwartungsgemäß ist Frau Graufuß wenig begeistert.
    »Wir koofen deswejen doch keenen neuen Fernseher!« Sie stemmt die Hände in die Hüften. »Wie sollen wir dit denn bezahlen?«
    Vom Sofa aus schaut Herr Graufuß zu ihr hoch. »Wir könnten ja ’n paar von deine Hummeln verkoofen!«
    »Dit sacht der Richtje«, entgegnet sie scharf. »Wat hat deine Eisenbahn jekostet, die in Keller vergammeln tut?«
    Eine handfeste Diskussion über die gemeinsamen Kosten der getrennten Hobbys bricht nun aus. Unruhig beginne ich, auf der Couch hin und her zu rutschen. »Lassen Sie uns doch einfach so ’n Adapter besorgen«, versuche ich zu schlichten, »dann sehen wir weiter …«
    »Heute is Sonntach!«, entgegnen mir die beiden im Chor, dann herrscht wieder Schweigen in Graufußens Wohnzimmer. Als gerade Resignation aufkommen will, fällt Frau Graufuß etwas ein. Mit kleinen Schritten rennt sie aus dem Wohnzimmer.
    »Wat hatse denn jetzt schon wieder?«, wundert sich ihr Mann und schüttelt mit geschlossenen Augen den Kopf.
    Hektisch kommt meine Vermieterin wieder ins Wohnzimmer gewackelt und fuchtelt wild mit einem kleinen Prospekt. Aufgeregt blättert sie darin herum und zeigt uns schließlich erleichtert eine ganzseitige Anzeige, auf der für einen verkaufsoffenen Sonntag am Ku’damm geworben wird.
    »Na dann – ab zum Technikmarkt!«, sage ich und klatsche in die Hände. »Damit wäre der Tatort wohl gerettet.

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