Binärcode
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»Sagen Sie, dieses Rosetta-Dings, worum geht’s da eigentlich ?«
»Kommen Sie mit, ich erklär’s Ihnen !«
Sie führte ihn aus dem Westeingang heraus, rechts um den Bau herum bis auf die nördliche Stirnseite. Schließlich standen sie vor einem aluminiumverkleideten, teilverglasten Kubus, offenbar ein erst vor wenigen Jahren errichteter Anbau, innen ein schwarzer Würfel mit über zwei Metern Kantenlänge auf einem mächtigen Stahlgestell, der den Raum fast komplett ausfüllte. Dutzende chrom-, gold- und silberglänzende Geräte, Instrumente, Antennen, Parabolspiegel und Steuerungsdüsen bedeckten jede Seite des Quaders. Unter dem Satellitenmodell ringelten sich unzählige Strippen und Leitungen wie Spaghetti, die zu einem Dutzend Schaltkästen und Racks an den Raumseiten führten, die mit Messgeräten und Kontrollmonitoren belegt waren.
Die Techniker im Raum bemerkten Rünz’ Begleiterin und grüßten sie durch die Glasscheibe. Rünz hatte sich Satelliten immer kleiner vorgestellt, und Sigrid Baumann schien seine Überraschung zu registrieren.
»Mit ausgefalteten Solarpanels hat die ganze Einheit eine Spannweite von 35 Metern. Was Sie sehen, ist das Engineering Model, von dem ich Ihnen erzählt habe, eine Zwillingsschwester der Sonde, die seit 2004 im All ist. Unser Crash Test Dummy sozusagen wurde Anfang 2003 hier aufgebaut. Die Spezialisten von Alenia Spazio, Astrium Deutschland und unser ESOC-Flugkontrollteam konnten an diesem Modell vor dem Start der Zwillingsschwester Hunderte von Systemtests durchführen und Flugszenarien durchspielen. Ein besseres Trainingsgerät als eine Eins-zu-eins-Kopie gibt es nicht. Die meisten kritischen Operationen in der Flugphase werden hier zuerst simuliert und auf Validität und Konsistenz geprüft, bevor wir Kontakt mit der Schwester im All aufnehmen. Risikominimierung, Sie verstehen .«
Er verstand.
»Rosetta ist die aufwändigste Satellitenmission, die die European Space Agency je gestartet hat. Über 20 Jahre Gesamtlaufzeit von der Aufnahme ins ›Horizon 2000 Programme‹ 1993 bis zum Missionsende 2015. Wir haben 21 Instrumente an Bord, Spektrometer für elektromagnetische Strahlung vom ultravioletten über den optischen bis zum Infrarot- und Mikrowellenbereich, Ionendetektoren, Analyseeinheiten für den Kometenstaub, Infrarot- und optische Kameras. Da kommen riesige Datenmengen zusammen, und nach Missionsende geht die Auswertung erst richtig los .«
»Wo geht denn die Reise hin, oder wird das eine Überraschung ?«
»Tschurjumow-Gerasimenko, ein kurzperiodischer Komet, der alle sechseinhalb Jahre auf einer stark elliptischen Bahn die Sonne umkreist. Rosetta wird ihn über ein Jahr lang auf seiner Reise ins innere Sonnensystem begleiten, die Veränderung seiner Oberfläche und des Eiskerns unter dem Einfluss der Sonne studieren. Die Sonde trägt Philae huckepack, eine kleine Landeeinheit, die auf dem Kometenkern niedergehen und Proben analysieren wird. Das ist ein international einmaliges Projekt, Tausende Wissenschaftler weltweit warten gespannt auf die Ergebnisse .«
Rünz verstand plötzlich, warum die Polizei in Deutschland noch mit analogen Funksystemen aus den 70er-Jahren kommunizieren musste, einer Technik, die so abhörsicher war wie der Marktschreier am Obststand in der Ernst-Ludwig-Straße. Die Regierung brauchte das Geld, um schmelzende Eisbälle im Weltraum zu fotografieren! Alles verstehen hieß alles vergeben. Er versuchte, seine Frage diplomatisch zu formulieren.
»Sagen Sie, nichts für ungut, aber was ist so interessant an diesem Tschurmof-Grassimko ?«
»Kometen sind Objekte aus der Geburtsstunde unseres Sonnensystems. Ihren Aufbau zu erforschen heißt, die Entstehung der Planeten und unserer Erde zu verstehen. Einige Wissenschaftler halten es für durchaus möglich, dass Kometenkerne organische Moleküle enthalten, aus denen auf der Erde die ersten Lebensformen entstanden sind. Ein faszinierenderes Objekt für Grundlagenforschung kann man sich kaum vorstellen .«
Rünz hatte diesbezüglich weniger Ehrgeiz, er hätte sich damit zufriedengegeben, seine Frau zu verstehen. Sie verließen das Satellitenmodell, sie begleitete ihn Richtung Ausgang. Er freute sich schon auf das Gesicht der Sicherheitsbeamtin, wenn sie ihm den Revolver wieder aushändigen musste.
»Kommen Sie doch nächste Woche zur Eröffnung des Galileo-Gründerzentrums vorbei! Der Ministerpräsident wird anwesend sein – und unser Direktor Gerry Summers. Ich schicke Ihnen
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