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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Winterschlaf in der Nähe der Jupiterbahn überstehen. Das war schon eine technische Meisterleistung von allen Beteiligten .«
    »Und 2004 hat er dann bei Ihnen hier angefangen .«
    »Wir hatten hier eine ganz normale Stellenausschreibung laufen für einen ICT Engineer, alles im Rahmen der Rosetta-Mission. Wir haben da unsere Statuten und schreiben neue Positionen immer erst europaweit intern aus, damit ESA-Mitarbeiter sich bewerben können. Kurz bevor wir Anzeigen auf den üblichen Internetplattformen schalteten, gingen wir noch mal die Blindbewerbungen durch, die im vergangenen Jahr eingegangen waren. Da sind wir auf ihn gestoßen, er hatte sich bereits Anfang 2002 beworben, und sein Profil passte perfekt, er war vertraut mit dem Projekt wie nur wenige, hatte exzellente Referenzen, und die Italiener waren bei uns im ESOC sowieso etwas unterrepräsentiert, was den Proporz der 17 Teilnehmerländer in der Belegschaft angeht. Wir luden ihn sofort zum Vorstellungsgespräch ein, und vier Wochen später fing er bei uns an. Er war die Idealbesetzung, schließlich kannte er die Sonde bereits in- und auswendig. Wir haben ihn bei der Inbetriebnahme des Engineering Models eingesetzt, einer flugfähigen Eins-zu-eins-Kopie der Rosetta-Sonde, die wir hier am Boden für Simulationen und Tests benutzen. Er hat sich innerhalb kürzester Zeit hochgearbeitet, ein exzellenter Mitarbeiter, der gerne auch einen Blick über den Tellerrand seiner Arbeit wagte. Ab Mitte 2005 hat er in unserem ACT mitgearbeitet, dem Advanced Concepts Team. Diese Gruppe befasst sich mit Zukunftstechnologien und ihrer Verwertbarkeit für Weltraummissionen – Biomimetik, künstliche Intelligenz, Fusionstriebwerke und so weiter .«
    »Warum haben Sie seinen Zeitvertrag nach zwei Jahren nicht verlängert, wenn er so ein heller Kopf war? Sie hätten doch versuchen müssen, ihn zu halten .«
    Sie zögerte eine Sekunde.
    »Ich weiß nicht, wer Ihnen das erzählt hat. Wir hatten mit ihm eine auf vier Jahre angesetzte Arbeitsvereinbarung mit Verlängerungsoption, aber wir mussten uns vor der Zeit von ihm trennen – aus Sicherheitsgründen .«
    Rünz zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Es kam zu Nachlässigkeiten, unvorsichtigem Vorgehen, manchmal ignorierte er Sicherheitsvorschriften. Wir mussten dem Einhalt gebieten, bevor irgendeine Situation entstand, die die Mission gefährdet hätte. Wir spielen hier mit hohen Einsätzen, ich meine damit sowohl die ökonomischen Mittel als auch die Energie, die viele Menschen über Jahre in ein solches Projekt stecken .«
    »Wie erklären Sie sich das, hatte er private Probleme, hat er Drogen genommen, zu viel getrunken ?«
    »Wenn er die hatte, dann wussten seine Kollegen nichts davon. Ich hatte mehrere Gespräche mit ihm, sein Zustand schien sich über die Zeit eher zu verschlechtern als zu verbessern. Ich habe ihm empfohlen, sich an unser ›Social, Sports and Culture Committee‹ zu wenden, eine Dachorganisation für die über 30 Freizeitclubs im ESOC – Golf, Fußball, Klettern, Theater, Motorradfahren – da ist eigentlich für jeden was dabei. Aber er hatte überhaupt kein Interesse an sozialen Kontakten. Er war einfach ein hochintelligenter und kreativer, aber auch etwas sensibler Mensch, ein Eigenbrötler, vielleicht eine Borderline-Persönlichkeit. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Mit ihm haben wir einen unserer besten Mitarbeiter verloren, aber letztendlich hatte die Sicherheit der Mission Vorrang. Glauben Sie, der Mord hatte irgendetwas mit seiner Arbeit zu tun ?«
    »Unwahrscheinlich, wir versuchen einfach, uns ein möglichst komplettes Bild zu machen. Gab es Animositäten im Team, Konkurrenz um irgendwelche Posten, Mobbing? Ich weiß, Sie werden ungern über Interna sprechen, aber ich kann Ihnen absolute Vertraulichkeit zusichern .«
    Sie schaute einen Moment an Rünz vorbei und dachte nach.
    »Wissen Sie, die Menschen, die für die ESA arbeiten, sind ehrgeizig, aber sie teilen gemeinsame Leidenschaften, Raumfahrt und Grundlagenforschung. Hier gibt es keine Grabenkämpfe wie in privaten Unternehmen, unsere Missionen sind nur dann erfolgreich, wenn alle an einem Strang ziehen .«
    »Und der Papst ist evangelisch«, murmelte Rünz.
    »Wie bitte?«
    »Nichts, ich habe nur laut nachgedacht. Könnten Sie mir eine Liste zusenden mit den Mitgliedern seiner Arbeitsgruppe und allen Menschen, mit denen er hier engeren Kontakt hatte ?«
    »Kein Problem. Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen

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