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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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fündig.
    »Sieh mal an, was haben wir denn da !«
    Er zog Rünz’ kleinen LadySmith aus dem Knöchelholster und hielt ihn triumphierend an den Fingerspitzen in die Höhe, als gälte es, noch Fingerabdrücke zu sichern.
    »Würde mich doch stark wundern, wenn das hier eine ordnungsgemäß angemeldete Handfeuerwaffe ist .«
    Dann wandte er sich wieder der Dame im Morgenmantel zu.
    »Gut, dass Sie angerufen haben, Ma’am«, rief er über die Straße. »Das hier sind drei ganz schwere Jungs, die haben wir schon lange auf der Liste .«
    »Herrgott«, blaffte Rünz, »warum gehst du nicht gleich rüber zu ihr ?«

     

     
    * * *

     

     
    Die Nacht war furchtbar, er hatte einen der heftigsten Albträume seit Jahren, die Vision eines Einführungstrainings mit dem Nordic-Walking-Master-Instructor Sven, der ihn tief in den Odenwald führte und völlig allein ließ. Er verirrte sich und musste in einer verfallenen alten Hofreite übernachten. Zu später Stunde überraschten ihn Christian Neureuther und Rosi Mittermaier – die beiden schnallten ihn auf einem Stuhl fest und drückten ihm die Metallzylinder eines seltsamen E-Meters in die Hände, mit dem Scientologen ihre Novizen durch Psychoaudits quälten. Sie stellten ihm Hunderte von Fragen, ob er an Nordic Walking wirklich glaubte, ob er schon einmal Zweifel an der reinen Lehre hatte, ob er sich bereit fühlte, den ›Heiligen Trail‹ zu walken, ob er manchmal Lust verspürte, ohne seine Stöcke durch den Wald zu wandern. Das E-Meter schlug immer wieder aus, Rosi stand vor Wut der Schaum vorm Mund – sie forderte eine schmerzhafte Lektion für den Renegaten, Neureuther gab den eiskalten, erbarmungslosen Folterknecht und drückte ihm die Hartmetall-Flexspitzen seiner Speed Pacer Vario in die Eingeweide.

     
    Als er morgens völlig zerknautscht in die Küche kam, blätterte seine Frau in seinen Ermittlungsakten wie in einer Illustrierten. Er nahm selten Unterlagen mit nach Hause, und noch seltener ließ er sie dort offen herumliegen.
    »Du hast unruhig geschlafen«, sagte sie.
    »Da findest du keine Horoskope«, sagte er und nahm ihr die Mappe weg. Sie schaute ihm eine Weile schweigend zu, wie er eine steril verschweißte Brotpackung öffnete und den Deckel eines kleinen Margarinebechers abzog, die man normalerweise in Hotels und Pensionen zum Frühstück servierte.
    »Du hast mir noch nichts von den Ergebnissen deiner Nachuntersuchung erzählt .«
    »Wusste nicht, ob dich das interessieren würde .«
    »Ja klar, woher auch, wir sind ja nur verheiratet .«
    Rünz schwieg. Die Radiologin hatte von einem unveränderten Befund gesprochen, Stagnation des Tumorwachstums, es gab also wirklich keinen Anlass, seine Frau jetzt mit Details zu beunruhigen.
    »Alles klar so weit, Verletzungen verheilt, bin wieder voll einsatzfähig .«
    »Auch im Haushalt, oder sollst du dich da noch schonen ?«
    Er antwortete nicht, sie spähte wieder auf seine Unterlagen.
    »Ist das der Fall, an dem du im Moment arbeitest ?«
    Rünz schwieg.
    »Ist nicht so deine Wellenlänge, das Opfer, oder ?«
    »Was meinst du damit ?«
    »Na ja, war doch wohl eher so ein kindlicher, romantischer Typ, der gern liest und träumt .«
    »Jetzt hör mir bitte auf mit Sternzeichen, ich kann den Schmu nicht mehr hören .«
    »Das meine ich nicht !«
    Rünz war einen Moment unachtsam, sie zog die Ermittlungsmappe wieder auf ihre Seite des Tisches und nahm ein Foto des Sweatshirts heraus, das Rossi an seinem Todestag getragen hatte.
    »Guck mal, was da draufsteht .«
    »Mein Gott, B 612, das ist sicher das Kürzel irgendeiner amerikanischen Basketballmannschaft oder einer Hip-Hop-Gruppe oder sonst was, worauf willst du hinaus ?«
    Sie ließ ihn einen Moment schmoren.
    »Der kleine Prinz. Hast du das nie gelesen ?«
    »Von Charles Bukowski? Verdammt, wie konnte mir das nur durch die Lappen gehen .«
    »Ein Märchen von Antoine de Saint-Exupéry. Der Ich-Erzähler muss mit seinem Flugzeug in der Wüste notlanden und trifft dort auf einen kleinen Jungen, der mit einem Asteroiden auf die Erde gekommen ist. Und dieser Asteroid hat den Namen – B 612 .«
    Rünz knurrte, biss in sein Brot, nahm ihr das Foto aus der Hand und betrachtete es. Er kaute langsamer, immer langsamer, irgendwann stand sein Mund offen und er vergaß zu schlucken. Wortlos stand er auf und setzte sich in seinem Arbeitszimmer an den Computer.
    Google gab im ersten Anlauf nicht viel her zu B 612, außer Fanseiten des Kleinen Prinzen, Dutzenden von

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