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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Grafikkarten, Diskettenlaufwerke, CD-ROM- und DVD-Laufwerke, alles war vorhanden, soweit Rünz das mit seinen kümmerlichen Hardwarekenntnissen beurteilen konnte. Aber die Festplatten fehlten. In dem ganzen Durcheinander konnte er keinen einzigen physikalischen Datenspeicher finden, weder CDs noch DVDs, Disketten oder USB-Sticks. Er schlich zurück zur Treppe und stieg leise ins Obergeschoss. Überall Spuren schneenasser Schuhe, hier hatten mindestens vier oder fünf Menschen gewütet. Die blaue Stahltür, die zur Beobachtungsplattform führte, war abgeschlossen, die Falzbedeckung an mehreren Stellen aufgebogen, jemand hatte vergeblich versucht, sich mit einem Brecheisen Zugang zu verschaffen. Rünz wollte schon wieder umkehren, als er sich an Stadelbauers Exklusivführung durch die Sternwarte erinnerte. Er versuchte, den Kabelträger an der Decke zu erreichen, aber er war einen ganzen Kopf kleiner als der Astronom. In dem Chaos fand er einen kleinen Schemel, stellte ihn sich zurecht und fand schließlich den Schlüssel unter den Stromstrippen. Er schloss auf, öffnete die Tür einen Spalt und leuchtete hi-nein. Er sah dicke weiße Wattebäusche, die im Schein seiner Lampe durch das offene Dach gravitätisch herabschwebten und die ganze Plattform mit Zuckerguss zudeckten. Die Teleskope hatten weiße Mützen, der Boden, die Arbeitstische, das gesamte technische Gerät war mit einer zwei Zentimeter dicken Schneeschicht bedeckt. Das Dach musste seit 15 oder 20 Minuten offen stehen. Rünz leuchtete den gesamten Boden ab, fand aber keine Fußspuren. Seine MagLite wurde plötzlich warm und erlosch nach ein paar Sekunden, wahrscheinlich war Feuchtigkeit in das Gehäuse eingedrungen und hatte die Batterien kurzgeschlossen. Auf gut Glück stöberte er auf den Arbeitsplatten und in den Schubladen, vielleicht rauchte das eine oder andere Vereinsmitglied und hatte irgendwo Streichhölzer deponiert. Er fand ein Metallfeuerzeug mit Klappdeckel, im Schein der Flamme entdeckte er den offenen Sicherungskasten und legte die Wippschalter um, im Treppenhaus ging das Licht an. Auf der anderen Raumseite war der Hebel, der das Schiebedach in Bewegung setzte. Seine Aktivitäten entsprachen nicht gerade einer vorschriftsmäßigen Spurensicherung, aber ihm tat es leid um die teure Ausrüstung der Hobbyastronomen. Er aktivierte den Elektromotor und die Dachmechanik setzte sich unter der Schneelast knarzend langsam in Bewegung. Dann ging er wieder hinunter, aus dem Ausgang und entgegen dem Uhrzeigersinn um das Gebäude herum. Wenn Stadelbauer sich zu seinem Schutz vor den Eindringlingen auf der Beobachtungsplattform eingeschlossen hatte, wenn er die Brecheisen am Türrahmen hatte knirschen hören, dann war ihm nur noch ein Fluchtweg geblieben – er hatte das Dach geöffnet, die Sicherungen ausgeschaltet und sich für einen kühnen Sprung über die Brüstung entschieden.
    Rünz fand seine Spuren auf der Rückseite des Gebäudes unterhalb der Plattform. Der Sturz hatte den Astronomen offensichtlich von den Füßen gerissen, die Abdrücke im Schnee waren noch erkennbar, er war wohl der Länge nach hingeschlagen und dann wieder aufgestanden. Rünz folgte den Fußspuren bis zur Ostseite der Sternwarte, dann blieb er ratlos stehen. Die Spuren endeten an einem Treppenabgang, auf den ersten Blick der externe Zugang zum Keller der Sternwarte. Aber die alten Stufen waren eingefasst in ein Portal aus halbmeterdickem, bemoostem und angewittertem Beton – das Bauwerk musste Jahrzehnte älter sein als das Observatorium darüber. Unten an der kleinen Eingangsluke fand er ein geöffnetes Vorhängeschloss im Schnee. Die Metallklappe quietschte in den Scharnieren, als er sie aufzog. Der flackernde Lichtschein des Feuerzeuges wurde im Innern von einer spiegelglatten Oberfläche reflektiert, er konnte keine Details erkennen. Mit einiger Mühe zwängte er seinen Körper durch die Öffnung und stand in einer kalten und feuchten Kammer mit quadratischem Grundriss von vielleicht fünf mal fünf Metern. Eindringendes Regen- oder Grundwasser hatte eine große Lache gebildet, die den ganzen Boden bedeckte. Er leuchtete die Wände ab und fand auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes eine durchbrochene Ziegelmauer, die ursprünglich einen alten Durchgang verschlossen hatte. Gut eingefetteten Boots mit dicken Gummisohlen würden ein paar Tropfen Wasser nichts anhaben. Quer durch den Raum wollte er gehen, machte einen Schritt nach vorn, verlagerte seinen Schwerpunkt

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