Binding, Tim
weiß, es gehört
sich nicht, Leute anzustarren, aber ich konnte nicht anders. Sie sah besser
aus als auf den Fotos, und das kommt nicht häufig vor. Der Schlüssel lag noch
immer auf dem Tassenboden, völlig verstaubt.
Ich eilte zurück nach nebenan, steckte ihn ins Schloss und
drehte ihn. Die Haustür öffnete sich wie von selbst.
Ich trat ein, drückte die Tür leise hinter mir zu, blieb
reglos stehen, während ich alles auf mich wirken ließ und versuchte, ein Gefühl
für den Bungalow zu bekommen. Meistens haben Häuser einen Geruch, eine typische
Signatur vom Lebensstil ihrer Bewohner. Bei Audrey waren es angebrannte Töpfe
gewesen und, ehe ich ihn über den Haufen gefahren hatte, diese blöde Töle,
Monty. Selbst als er längst tot gewesen war, hatte es noch im ganzen Haus nach
ihm gerochen. Hier stank es nach Putzmitteln, nach Zeug, das man auf
Duschscheiben sprüht, in Kloschüsseln kippt. Es war seit Monaten niemand hier
gewesen, bis auf die Putzkolonne. Zeit, mich mal umzuschauen.
Ich war nicht oft in Kim Stokies Haus gewesen. Er und
seine werte Gattin konnten Besuch nicht ab, schon gar nicht von Nachbarn, aber
ich sah auf den ersten Blick, dass hier gründlich renoviert worden war, von
oben bis unten: funkelnagelneue Küche, ganz auf Amimäßig getrimmt, mit Frühstückshockern
und einer schnuckeligen Esstheke und einem von diesen
Chevrolet-Chromkühlschränken, die aussehen, als könntest du einsteigen, den
Schnellgang einlegen, die Route 66 runterdüsen und dir unterwegs ein paar
kleine Schweinereien schmecken lassen. Gegenüber der Küche war eine Art
Wirtschaftsraum, Gefriertruhe und Waschmaschine und Trockner, und in der hinteren
Ecke stand ein Heimtrainer, über dessen Lenker Michaelas
Schlammschlacht-Outfit zum Trocknen hing. Die Haupträume gingen wie bei mir nach
vorne raus, doch hier war ein einziger Raum daraus gemacht worden, mit einem
gläsernen Esstisch an einem Ende und einem von diesen gigantischen,
Schwarzes-Loch-artigen, Leben aussaugenden Fernsehern am anderen. Die reinste
Edelhütte, abstrakte Bilder an den Wänden, Glascouchtische, Getränkevitrine,
zwei cremefarbene Sofas, die ungefähr so breit waren wie die Standspur einer
normalen Autobahn, und das alles auf so einem flauschigen cremefarbenen
Teppichboden, der aussah, als wollte er einem Golden Retriever Konkurrenz
machen. Ideal für eine spontane schnelle Nummer, wenn du auf einen Sprung nach
Hause kamst, aber absolut zum Kotzen, wenn du deinen Toast mit Marmelade
drauffallen ließest. Von Michaela war allerdings nicht viel zu sehen; eine
Radsportzeitschrift, eine halb leere Packung Trockenpflaumen und eine
Detailkarte von der Küstenregion, auf der Rumps Sackgasse mit rotem Lippenstift
umkringelt war. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht.
Im Bad machte ich dann meine erste Entdeckung, dem Bad mit
der ebenerdigen Dusche und den Bambussesseln und dem eingelassenen Whirlpool
mit der Fangopackung und dem Damenrasierer auf dem Rand. Die Ablage über dem
Waschbecken war voll mit Selbstbräuner, für tiefe Bräune, für leichte Bräune,
für Bondi-Beach-Girl-Bräune, Selbstbräuner zum Auftragen, Selbstbräuner zum
Einsprühen, Selbstbräuner zum Drin-Herumrollen wie eine läufige Hündin.
Michaelas Bräune war also überhaupt nicht natürlich. Sie musste begossen werden
wie ein Hähnchen am Spieß. Am Abend zuvor war mir ein paarmal aufgefallen,
dass sie diese Farbe auch an den unwahrscheinlichsten Stellen hatte,
allerdings war das Licht schon ziemlich schwach gewesen und ich hatte anderes
im Kopf gehabt. Beim nächsten Mal würde ich genauer hinschauen, es vielleicht
ins Gespräch einflechten, wenn wir so richtig in Fahrt kamen. Mal sehen, was
Nelson dazu zu sagen hatte.
Die zwei Schlafzimmer lagen nach hinten raus, Gästezimmer
und Hauptschlafzimmer, beide mit einem Doppelbett drin, das eine normal, das
andere in Übergröße. Das Gästezimmer war voll mit Michaelas Gepäck, dunkelgrüne
Koffer übersät mit Aufklebern, Sydney, San Francisco, Buenos Aires. Ich hasse
das, wenn Leute sich das Gepäck mit so Angeberaufklebern Vollpappen, sich mit
diesen Schickimicki-Urlaubsorten wichtigtun, die sie schon bereist haben, als
würden sie von uns erwarten, dass wir ihnen anerkennend auf die Schulter
klopfen oder ihnen einen Orden verpassen oder so, als ob uns das nicht am Arsch
vorbeiginge. Ich meine, wieso denken die, wir würden das wissen wollen? Wollen
wir nicht. Wir wollen nicht nur nicht wissen, wo sie überall gewesen sind,
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