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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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es
wäre uns sogar lieber, sie wären nie wiedergekommen. Bleibt doch in Buenos
Aires, wenn's euch da so toll gefällt. Macht euch noch eine Dose Corned Beef
auf. Holt euch eine anständige Lebensmittelvergiftung. Andererseits, der
richtige Aufkleber klug eingesetzt kann kolossal hilfreich sein. Exknackis in
einem überfüllten Zug zum Beispiel, wenn die auf ihrem Gepäck ein paar
Aufkleber hätten von den Gefängnissen, in denen sie die letzten Jahre
verbracht haben, Wormwood Scrubs, Pentonville, Broadmoor. Wenn du so einen auf
deinen Koffer pappst, hast du das Abteil nach knapp drei Minuten für dich
allein.
    Zwei weitere Koffer lagen geöffnet und leer auf dem Bett,
zwei Golftaschen lehnten dagegen. Eine davon erkannte ich auf Anhieb wieder,
Audreys, mit den kleinen gelben Handschuhen, die aus einer Seitentasche lugten,
und den orange-grünen Schlägerschutzhüllen, die sie extra passend zu ihrer
Lieblingsgolfjacke gestrickt hatte. Die Jacke hatte sie auch am letzten Abend
im Wohnmobil angehabt. Klar, nachdem Audrey einkassiert worden war, hatte
Michaela ihren Kram mit zu sich nehmen müssen, wenn sie ihn nicht verschenken
wollte. Die Golfjacke war jetzt vermutlich in einem der Koffer verstaut,
zusammen mit allen möglichen anderen Sachen von Audrey, von denen ich bestimmt
einige wiedererkennen würde. Das Zeug war um die ganze Welt gereist, und jetzt
war es wieder hier, keine zwanzig Meter von dem Ort, wo alles angefangen
hatte, Klamotten, die ich angefasst hatte, ihr ausgezogen hatte, Klamotten,
die, Gott im Himmel, noch immer nach ihr rochen. Ich verschwand so schnell ich
konnte aus dem Raum. Schon der Gedanke war unerträglich.
    Das Hauptschlafzimmer war wie alles Übrige proper und
steril, als hätte da drin seit Jahren keiner mehr auch nur einen ordentlichen
Furz gelassen. Das Bett war gemacht, darüber eine helle Tagesdecke mit einem
lang gezogenen grünen Y in der Mitte, Spiegel vom Boden bis zur Decke an dem
begehbaren Schrank, eine der Schiebetüren halb geöffnet, Kostüme und Jacken
und gebügelte Hosen allesamt angeordnet wie die Farben des Regenbogens. Sie war
ein Jacke-und-Rock-, Jacke-und-Hose-Typ, Michaela, keine Frage. Da hingen
bestimmt an die dreißig Stück. Kein Wunder, dass sie in so schicken Klamotten
im Garten arbeitete. Anscheinend hatte sie gar nichts anderes. Ein moderner
Frisiertisch nahm fast die ganze andere Wand in Beschlag, Marmorplatte mit der
üblichen Armee an weiblichen Utensilien in Reih und Glied wie Rekruten beim
Morgenappell: Parfüms, Puder, Cremes, Sprays, Zeugs zum Betupfen, Zeugs zum
Abwischen, ein mordsmäßiger Schwenkspiegel, in dem man sich dabei zusehen
konnte. Er wurde schräg gehalten von einem altmodischen Schmuckkästchen, das
aussah, als hätte es mal jemandes Großmutter gehört. Ich zog es zu mir, öffnete
es und knallte den Deckel sofort wieder zu. Es war eine von diesen Spieldosen,
und eine klimperige Melodie hatte mich angesprungen. Es war bescheuert, ich
weiß. Ich wusste, dass außer mir niemand im Haus war, trotzdem pochte mein Herz
wie verrückt. Erst Audreys Klamotten und jetzt das. Es war, als würde ich ganz
sicher ertappt werden, wenn ich die Melodie dudeln ließe, als wäre sie noch da
und klebte an den Wänden, wenn Michaela zurückkam. Aber ich wollte wissen, was
die Dose spielte, was für Kinkerlitzchen sie enthielt. Ich hob den Deckel
erneut, langsam, knallte ihn aber genauso rasch wieder zu wie zuvor. Sie legte
sofort los, die Melodie, und sie kam mir noch lauter vor als beim ersten Mal.
Dann fiel mein Blick auf etwas anderes. Der Spiegel war jetzt nach unten
geneigt und zeigte das Bett und den Nachttisch, und auf dem Nachttisch lag
unter der Lampe eine Postkarte, mit dem Bild nach unten, auf der Rückseite
beschrieben, ein Stift quer darüber. Ich ging hin und nahm sie in die Hand.
    Mein Grübchenhase,
    Fisch an der Angel. Al hat bei der
großen Unbekannten angebissen. Noch abstoßender, als Du beschrieben hast. Werde
wohl oder übel
    Sie hatte nicht zu Ende geschrieben, aber ich hatte mehr
als genug gelesen. Noch abstoßender, als Du beschrieben hast? Wieso denn das?
Ich meine, was war an mir so abstoßend? Ich schnitt mir regelmäßig die
Zehennägel, konnte ganz witzig sein, hatte auch im Bett ordentlich was vorzuweisen,
wenn es drauf ankam, und das war der Dank dafür. Abstoßender, als Du
beschrieben hast? Dachte sie das wirklich oder sagte sie das bloß, um Audrey
bei Laune zu halten? Vielleicht beides. Vielleicht fand sie mich

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