Binding, Tim
meine Kreationen zu schaffen. Und, wie finden Sie ihn?«
Ich nahm den Hai, der an der Mauer lehnte, und stellte ihn
neben der Nymphe auf, sodass er mit dem Kopf knapp vor ihrem Bein war, als
wollte er es ihr abbeißen. Alice fing an zu lachen. Dann sah sie, dass Torvill
da ganz allein rumstand. Sie wirkte so klein, so verloren. Schwer zu glauben,
dass sie hier mal wie eine Königin geherrscht hatte.
»Soll sie auch hier draußen bleiben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie kommt wieder auf den Kaminsims.
Ich hab sie bloß mal rausgeholt, damit... Sie wissen schon.«
»Ich weiß, ja.« Ihre Stimme war ganz sanft geworden. »Was
Audrey gemacht hat, war grausam«, sagte sie und fügte dann, um das Thema zu
wechseln, hinzu: »Sie verstehen sich offenbar ganz gut mit unserer neuen
Nachbarin.« Sie musste sich ein Schmunzeln verkneifen.
»So ab und an, ja, durchaus«, pflichtete ich ihr bei. »Obwohl
ich sagen muss, dass sie nicht Ihre künstlerische Ader hat, Mrs B. Sie erkennt
einfach nicht, was ich fischmäßig zum Ausdruck bringen will. Die eine hat's,
die andere nicht. Ich will später zu Mickey Travers rüber, ich überlege
nämlich, ob ich ihm seine Kettensäge abkaufe. Blind Lionel verkauft mir sechs
von seinen Eisenbahnschwellen, obwohl sie ihm gar nicht gehören. Zweieinhalb
Meter lange Brocken sind das. Die säg ich in der Mitte durch, das macht schon
mal zwölf Karpfen. Sie können beim Bemalen helfen, wenn Sie Lust haben. Im
Grunde müssen die bloß farblich ausgemalt werden. Dieser Eumel Hirst arbeitet
nämlich auch so, mit einem Haufen Handlangern, die für ihn die Drecksarbeit
machen. Nicht, dass ich Sie für eine Handlangerin halte, Mrs B. Ganz und gar
nicht.«
»Es macht mir nichts aus, Ihre Handlangerin zu sein, Al«,
sagte Alice, wieder mit einem Lächeln im Gesicht. »Nicht, wenn ich Ihnen damit
helfen kann, Meister Hirst zu zeigen, wo er hingehört.«
Ich hatte mir am Morgen in der Bücherei von Poole ein
bisschen was zu Hirst angelesen. In einem Buch fand ich ein Foto von ihm, mit
Grinsvisage und Brille. Er erinnerte mich an Robin. Kein Wunder, dass er Sachen
einlegte. Wer so aussah, hatte bestimmt ständig einen widerlichen Geschmack im
Mund.
Alice ging wieder rein. Sie hatte den Teich gesehen,
Torvill hatte den Teich gesehen, aber das reichte noch nicht. Michaela sollte
ihn auch sehen, sollte sehen, wie gut ich ihn hingekriegt hatte, wie flink. Wir
waren schließlich Partner. Teilten sozusagen vorübergehend Teich und Bett.
Ich stellte Torvill zurück auf den Kaminsims und ging nach
nebenan, klopfte bei Michaela an die Tür. Sie ließ sich nicht blicken. Sie
hatte sich den ganzen Tag noch nicht blicken lassen. Das Letzte, was ich von
ihr gesehen hatte, war ihr nackter Hintern im Mondlicht, als sie über die Mauer
sprang. Ich hätte eigentlich erwartet, dass sie mal vorbeigekommen wäre, um zu
sehen, wie ich klarkam, zumal sie sich ja selbst in jeder Hinsicht ganz schön
ins Zeug gelegt hatte. Ich ging ums Haus herum, versuchte, durch die Jalousien
zu linsen, aber sie war offensichtlich nicht da. Vielleicht fragte sie ihre
Bekanntschaft aus, wann Rump Dienst hatte. Vielleicht war sie im Fitnessstudio.
Vielleicht besuchte sie den geheimnisvollen Nelson, um sein Teleskop
auszufahren. Und dann, mit einem Mal, wusste ich, was ich tun konnte.
Das Komische war nämlich, dass Kim Stokie, als er noch
hier wohnte, mir einen Schlüssel für die Hintertür gegeben hatte. Seine werte
Gattin Gaynor weigerte sich strikt, das Haus zu verlassen; sie verriegelte
Türen und Fenster und ging nie auch nur einen Schritt nach draußen, unter keinen
Umständen. Und aus Angst, es könnte irgendwas passieren, wenn er mal nicht da
war, zum Beispiel ein Brand ausbrechen, und sie dann so enden wie eine zu lange
getoastete Scheibe Weißbrot, hatte Kim Audrey und mir diesen Schlüssel
gegeben, sicherheitshalber. Wir hatten ihn in der
Lady-Diana-Hochzeit-Gedenktasse aufbewahrt, auf dem obersten Regalbrett in der
Küche, und die Tasse stand noch immer dort. Warum also sollte der Schlüssel
nicht mehr drin sein?
Ich eilte zurück ins Haus, angelte Lady Di vom Regal. Sie
sah so jung aus auf der Tasse, eher wie ein Schulmädchen als wie eine
Prinzessin. Und dann hatte unser zukünftiger König seinen majestätischen
Zauberstab geschwungen, und schwups war sie die schönste Frau auf der Welt. Ich
hab sie einmal gesehen, in London, als sie aus irgendeinem Laden für
Kinderklamotten kam. Zwei Zivilbullen bewachten die Tür. Ich
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