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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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Kopfteil, schob ein Bein raus
und stupste mich damit an, wie beim ersten Mal. Ich wusste, was sie bezweckte.
    »Sie hat gesagt: >Ist die Beule noch da oben?<«
    »Sie wusste also von der Beule?«
    »Anscheinend. Ich hab gesagt, ich hätte eben noch da
draufgestanden, um einen letzten Blick aufs Meer zu werfen, ehe ich ins
Ausland gehe.«
    »Das alles hast du ihr erzählt?«
    »Ich wollte irgendwem erzählen, was ich vorhatte. Sie hat
gefragt, wie lange ich wegbleiben würde, und ich habe gesagt, wahrscheinlich
für immer, dass ich das Meer wohl zum letzten Mal gesehen hätte. Deshalb war
ich dort, bei dem Sauwetter.« Sie hielt ihr Glas ins Licht, ließ den letzten
Schluck darin kreisen.
    »Und?«
    »Sie hat gesagt, keine Sorge, sie würde es für mich sehen.
Sie wäre in Zukunft regelmäßig dort oben.«
    Ich schluckte schwer. Also doch keine Selbstmordabsicht.
»Hast du sie nicht gefragt, was sie da wollte?«
    »Ich hab ihr bloß geraten, vorsichtig zu sein. Der Wind da
oben war gefährlich. Aber das weißt du ja selbst, nicht?«
    »Und das war alles?«
    »Nicht ganz. Sie hat mir eine sichere Reise gewünscht, ich
hab ihr einen sicheren Aufstieg gewünscht. Dann hat sie was Seltsames gemacht.
Sie hat gesagt: >Würden Sie mir wohl Ihren Namen verraten? Sie werden
nämlich die letzte Person sein, die vor ihm da war.<«
    »Ihm? Wer ist ihm?«
    »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Ich hab sie für
eine religiöse Spinnerin gehalten. Und ich hatte recht, denn als sie ihre
Tasche aufhob ...«
    »Tasche?«
    »Die Tasche, die sie fallen gelassen hatte, als sie nach
meiner Hand griff, so eine Hippietasche aus Leinen, ziemlich ungeeignet für
das Gelände oder Wetter. Als sie sie aufhob, meinte ich, eine Bibel obenauf zu
sehen. Eine Bibel und eine Thermosflasche.«
    Herrgott, ich hatte eine Christin in die Tiefe gestoßen.
»Und das war alles?«
    »Das war alles. Ich hab ihr gesagt, wie ich heiße, sie hat
sich bedankt, gesagt, sie würde nun jedes Mal an mich denken, wenn sie da
hochgehen würde, mir eine kurze Botschaft über den Äther schicken, so hat sie
es formuliert, und weg war sie. Nach oben, wo du dich in dem Ginsterbusch
versteckt hattest.« Sie hielt mir ihr Glas hin. »Noch einen Whisky bitte, und
wenn du so lieb wärst, mir auch noch meine Jacke von draußen zu holen, bin ich
dann weg.«
    »Wie hat sie ausgesehen, diese Frau?«
    »Schwer zu sagen, bei dem strömenden Regen. Sie hatte ein
rundes Gesicht. Ihr Haar könnte leicht rötlich gewesen sein.«
    »Wie hat sie gesprochen? Mit schottischem Einschlag, kam
sie aus London, aus dem Norden?«
    »Ich weiß nicht. Ich kann eure regionalen Akzente hier
kaum auseinanderhalten. Sie sprach irgendwie mit einem Singsang, glaub ich. Es
ist lange her.«
    »So lange nun auch wieder nicht. Wie alt war sie?«
    »Fünfzig? Fünfundfünfzig? Wirkte ein bisschen verhärmt,
fand ich. Hätte wahrscheinlich noch erheblich verhärmter gewirkt, wenn sie
geahnt hätte, was ihr da oben blüht.«
    »Ja, schon gut, wir wissen, was du glaubst. Ich habe
nichts zugegeben.«
    »Musst du auch nicht. Deine Fragen sagen alles.« Sie wackelte
wieder mit ihrem Glas. »Whisky? Die Jacke?«
    Ich brachte ihr den Whisky, holte auch die Jacke aus dem
Garten herein. Wir gingen ein paar Sachen durch: die Fahrt zum Strand, um die
Umgebung auszukundschaften, wie lange es dauern würde, bis ich den Teich fertig
hatte, wie wir rausfinden würden, wann Rump nicht zu Hause wäre. Das sei kein
Problem, meinte sie. Sie kannte jemanden bei der Polizei. Sie würde in
Erfahrung bringen, wann er Dienst hatte. Sie stieg aus dem Bett, knöpfte sich
ganz langsam und bedächtig die Jacke zu, als wäre ich gar nicht im Raum.
    »Beim nächsten Mal«, sagte sie, wobei sie sich bei jedem
Wort Zeit ließ, »könnten wir die Partie Scrabble spielen. Nach offiziellen
Regeln natürlich.«
    »Natürlich.«
    Ich hätte nichts dagegen gehabt, sofort zu spielen, ich
hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie über Nacht geblieben wäre, aber ich
sagte es nicht. Ich folgte ihr, als sie ihre nassen Klamotten einsammelte,
fragte mich, warum zum Teufel ich das alles machte. Ich wollte Rumps Geld
nicht. Ich wollte auch seinen Fisch nicht. Ich wusste nicht mal, wie stark mein
Wunsch war, herauszufinden, wen ich von der Klippe gestoßen hatte. Das Ganze
würde sicher alles andere als leicht werden. Aber ich wollte das alles. Ich
wollte Michaela, wollte das, was sie mitbrachte. Ich mochte die Art, wie sie
mich benutzte, die Art, wie sie

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