Binding, Tim
einem Punkt hatte der Typ von vorhin
recht.
Ich sollte nicht nur diesen einen anbieten, sondern eine
Sammlung. Einen ganzen Schwarm, wenn Sie so wollen.
Alice war nicht da, aber diesmal brauchte ich sie auch
nicht. Ich brauchte niemanden. Ich lehnte den nächsten Holzblock an die Mauer
und machte mich ans Werk, achtete darauf, dass diese Koi-Frau dünner, länger
ausfiel, kurviger. Ich schmirgelte sie auch ab, verpasste ihr eine Oberfläche,
die sich geschmeidiger anfühlte, nur für den Fall, dass einer von den Kunden
sie begrapschen wollte. So was machen sie gern, wenn sie können, diese
Kunstliebhaber, ein bisschen rumfummeln. Wölbungen, Ständer, Henry Moores
Löcher, sie können die Hände nicht bei sich behalten. Die Funktion des
taktilen Imperativs hatte Miss Prosser das genannt, obwohl ich glaube, wir
wissen alle, worum's ihnen eigentlich geht. Egal, wenn sie es so haben wollen,
dachte ich, dann kann ich es ihnen auch so pläsierlich wie möglich machen.
Wenn ich mit den Händen über den ersten Fisch fuhr, fühlte es sich ein bisschen
so an wie damals, wenn ich Audrey die Beine streichelte, ohne meine
Autohandschuhe an. Ich brauchte einen ganzen Nachmittag dafür, aber na
wennschon. Am Ende hatte ich Kunst im Wert von gut fünfhundert Pfund auf Lager.
Und das war erst der Anfang. Zwei von den Dingern am Tag á zweihundertfünfzig
Pfund das Stück würden mir dreieinhalb Riesen pro Woche einbringen,
vierzehntausend pro Monat, Gott weiß wie viel pro Jahr. Der Entschädigungsausschuss
konnte mich mal. Bei der Gewinnspanne würde ich ihnen eine Skulptur gratis
machen. Jetzt kapierte ich, wieso Hirst sie von einem ganzen Trupp Handlanger
am Fließband produzieren ließ. Ich meine, wenn die Nachfrage hoch ist, könnte
einer allein die ganze Arbeit kaum bewältigen, und er wäre ja verrückt, wenn er
nicht versuchen würde, ordentlich abzusahnen. Vielleicht war er ja gar kein
solcher Eumel.
Als ich dabei war, die Sägespäne zusammenzufegen, sah ich
den Mietwagen vorfahren, mit Carol am Steuer, die in ihr Handy quasselte. Ich
ging ins Haus, wusch mich rasch und zog mir ein frisches Hemd an. Als Carol
hereinkam, wartete ich bereits im Wohnzimmer auf sie, eine Flasche Weißwein und
eine Jumbopackung Chips mit Currygeschmack auf dem Couchtisch. Ich war fest
entschlossen, das mit uns hinzukriegen.
»Carol, Liebes. Ich hab mich schon gefragt, wann du wohl
kommst. Wie war der Abend?«
»Nicht besonders.«
»Wie schade. Was ist denn mit dem Hut passiert?« Michaelas
rosa Pillbox-Hut hatte vorne einen dicken grünen Fleck.
»Der ist in die Suppe gefallen.«
»Ach du Schande, sie wird nicht begeistert sein.«
»Wer wird nicht begeistert sein?« Sie funkelte mich an.
Ich musste aufpassen, was ich sagte. »Mrs Bowles, die
letzte Mieterin. Sie hat mich angerufen. Ob ich einen Hut gefunden hätte? Hab
ihr nicht erzählt, dass du ihn mit zu deinem Mädelabend genommen hast. Na, dann
war Dorchester wohl ein ziemlicher Reinfall.«
»Ich war nicht in Dorchester, Dad. Ich bin in den Norden
gefahren, um mit Neville Forster zu sprechen. Erinnerst du dich an ihn?«
Nicht zu fassen, gerade mal ein paar Tage weg von Bruno dem
Beuteltier, und schon grub sie Exfreunde aus. Ich meine, wäre es nicht besser,
sich jemand Frisches zu suchen? Neville Forster? Der Name kam mir irgendwie bekannt
vor.
»War das der Kiwi mit Glatze und den zwölf Zehen, die ihm
aus den Sandalen ragten?«
»Nein, Dad. Das war der Detective Sergeant, der dich wegen
Robins Tod verhört hat. Erinnerst du dich jetzt an ihn? Er erinnert sich
jedenfalls an dich. Sehr gut sogar.«
Jetzt erinnerte ich mich an ihn. Lärmiger, kurzhaariger kleiner
Scheißer, hatte was von einem Jack Russell, kleinwüchsig, bissig und
aufgeblasen.
»Anscheinend hat er sich damals sehr für einen Bluterguss
interessiert, der an Robins Hals festgestellt worden war«, sagte Carol. »Er hat
dich richtig ausgequetscht, fast einen ganzen Tag lang. Uns hast du erzählt,
der ganze Papierkram hätte so lange gedauert.«
»Papierkram, Fragen, es ist lange her, Carol.«
Er war ein hartnäckiger kleiner Köter gewesen, wie er im
Verhörraum um mich herumschlich, mich von allen Seiten befragte, mich
beschnüffelte, mir ins Ohr kläffte, als würde ich irgendwann auf den Stuhl
springen und alles gestehen. Der Bluterguss war nicht das Einzige. Offenbar
hatten die drei Wandersleute, die uns an dem Nachmittag überholt hatten, auf
Anhieb »gewisse Spannungen« zwischen Robin und mir
Weitere Kostenlose Bücher