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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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doch nur glauben könnte.«
    Sie hatte Tränen in den Augen. Meine Tochter, Tränen in
den Augen. Meinetwegen, wegen Robin? Es war schwer zu sagen. Vielleicht von
beidem ein bisschen.
    »Ich weiß. Ich hab dir in der Vergangenheit nicht viel
Grund dazu geliefert. Aber jetzt, wo wir wissen, was wir wissen, denke ich, wir
können diese Sache vielleicht endlich begraben, meinst du nicht auch?«
    Sie nickte wieder, legte das Steinchen auf den Tisch zwischen
uns, mit der Vorderseite nach unten. Ein gutes Zeichen, fand ich.
    Sie ging aus dem Zimmer. Ich konnte hören, wie im Gästezimmer
Schubladen aufgezogen wurden. Ich hatte eine gute Geschichte erzählt, aber ich
glaubte sie selbst nicht ganz. Wie war das A wirklich in seine Hand gekommen?
Hatte er die Hände in den Taschen gehabt, als ich auf ihn losgegangen war? Ich
glaubte nicht. Und als ich ihn im Schwitzkasten gehabt hatte, da hatte er doch
wie wild mit Armen und Fäusten um sich geschlagen. Und als ich ihn umgedreht
und ihm einen Schubs gegeben hatte, wedelten seine Arme da nicht in der Luft
wie zwei gebrochene Flügel, während seine Hände ins Leere griffen? Oder hatte
ich mich bloß falsch erinnert, mir vorgestellt, wie es gewesen sein müsste,
nicht, wie es gewesen war? Aber wie hätte es sonst gewesen sein können? Er
hätte auf dem Weg nach unten keine Zeit für das alles gehabt, die Schachtel aus
der Tasche fischen, den richtigen Buchstaben finden, die Schachtel schließen,
sie zurück in die Tasche schieben und das Buchstabensteinchen in der Hand
verstecken, bevor er mit dem Kopf auf den Felsen knallte, und als er dann dalag,
mit eingedelltem Schädel, konnte er vor lauter Kopfschmerzen wohl kaum noch
klar denken, oder? Es hatte zwar gut zwanzig Minuten gedauert, ehe ich bei ihm
war, aber trotzdem, so hinterhältig konnte er doch wohl nicht gewesen sein, tot
dazuliegen, während ich mich über ihn beugte, mit dem Anfangsbuchstaben meines
Namens fest in seiner durchtriebenen kleinen Faust. Er hätte es gern gemacht,
davon war ich überzeugt, aber nein, das war völlig abwegig. Nein. Er musste das
Steinchen immer griffbereit gehabt haben, vielleicht im Ärmel versteckt oder
so, um es sich in die Hand fallen zu lassen, wenn er mal wieder eine Partie
vorschlug. Er wollte schummeln, schlicht und einfach. Ich hatte die ganze Zeit
recht gehabt.
    Carol kam mit einer kleinen Reisetasche, die sie sich über
die Schulter gehängt hatte. »Ich hab Mary versprochen, heute bei ihr zu
übernachten. Ihre Eltern sind nicht da. Ich hol nur noch rasch ihr Geschenk.«
    Ah. Sie verschwand Richtung Wirtschaftsraum. Als sie
zurückkam, war ihr Gesicht schon wieder finster und wütend. Aus diesem
Schlamassel würde ich weniger leicht rauskommen.
    »Okay, Dad. Wo sind sie?«
    Sie? Damit hatte ich nicht gerechnet. »Wo sind was, Kleines?«
    »Die Toblerone-Stangen. Ich hab sie in die Gefriertruhe
gelegt, als ich hier ankam, zwei Stück. Du hast sie gesehen. Du hast sie doch
wohl nicht beide gegessen. Nicht mal du...«
    »Natürlich hab ich sie nicht gegessen. Beide weg, sagst du?«
    »Wieso? Wenn nur eine verschwunden wäre, wäre das dann
weniger schlimm?«
    »Nein, natürlich nicht. Du hast sie nicht vielleicht mit
in den Norden genommen, damit du auf der Fahrt Gesellschaft hast?«
    »Natürlich nicht!« Sie schrie jetzt, als gäbe es nichts
Wichtigeres auf der Welt.
    »Beruhige dich, Carol. Da fällt mir ein, Alice Blackstock war
gestern hier.«
    »Du willst ihr doch wohl nicht die Schuld in die Schuhe
schieben, oder?«
    »Unter normalen Umständen würde mir das nicht im Traum
einfallen. Allerdings, du weißt das vermutlich nicht, aber vor einigen Jahren
hat sie einen ordentlichen Schlag auf die Birne gekriegt. Seitdem ist sie nicht
mehr die Alte. Als sie bei uns gewohnt hat, sind uns die Nebenwirkungen
zwangsläufig aufgefallen ...«
    »Sie hat bei euch gewohnt? Die alte Schnüffelnase hat bei
euch gewohnt?«
    »Habt ihr in Australien keine Nachbarn, Carol? Brauchen
die nicht auch mal Hilfe? Die leistet man, wenn sie die Treppe runterfallen.«
    »Sie ist die Treppe runtergefallen?«
    Ups. Ich versuchte, keine Miene zu verziehen. »Sie war
beim Zahnarzt gewesen, Schätzchen, vollgepumpt mit Betäubungsmittel, ganz zu
schweigen von dem Wodka, den sie auf der Hinfahrt förmlich in sich
reingeschüttet hatte.«
    »Du warst bei ihr?« Es war wie eine Neuauflage von Michaela.
    »Ich war Taxifahrer, falls du's vergessen hast. Ich habe
sie hingefahren, ich habe sie zurückgefahren.

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