Binding, Tim
in den Wagen und fuhr, fuhr, ich weiß nicht, wie
lange, über Feldwege und Nebenstraßen, parkte auf dem Rastplatz, saß im Wagen
und blickte hinaus auf das Manövergelände, die Geschützstellungen, die
Panzerattrappen, die Erde, völlig verkohlt und zerstört wie der Rest meines
Lebens. Sie würden mich bald holen kommen, dank Iss und Ian und jetzt
vermutlich auch Jacko. Wer weiß, vielleicht würde sogar Schnüffelnase ihr
Scherflein dazu beitragen. Es lag an mir, die Sache richtigzustellen, was immer
sie auch dachten, was immer ich sonst noch getan hatte. Ich hatte sie nicht
getötet. Ich hatte jemanden getötet, aber nicht sie. Miranda hatte an jenem
Nachmittag in diesem Auto gesessen, auf dem Beifahrersitz, es hatte in Strömen
geregnet, die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren, sie war dankbar für die
Mitfahrgelegenheit, dass alles gut werden würde, dass sie mit ihrem neuen Lover
nach Paris fahren würde, mit ihrem neuen Leben. Sie muss sich richtig toll
gefühlt haben, so erleichtert. Was war dann geschehen? Es gab nur einen
Menschen, der mir das sagen konnte.
»Audrey!«
Ich trat in die Diele. Im Haus herrschte Ruhe, aber keine
leere Ruhe. Ich ging weiter ins Wohnzimmer, in die Küche, sah im Wintergarten
nach. Dann hörte ich das Platschen, jemand stieg aus der Badewanne. Ich nahm
den gelben Regenmantel vom Haken und ging ins Bad. Sie stand auf der Badematte,
in ein Handtuch gewickelt.
»Al.« Sie blickte überrascht. »Du bist früh zurück. Was
ist mit der Army-Tour?«
»Geplatzt.« Ich hielt ihr den Mantel hin.
»Was soll ich damit?«
»Du machst einen kleinen Spaziergang«, sagte ich. »Du
könntest ein bisschen nass werden.«
»Bei dem Wetter?« Ich hielt ihn ihr weiter hin. »Zieh ihn
an, Audrey, bitte.«
»Was ist das, irgendein Spiel?« Sie lächelte über das
ganze Gesicht.
»Wenn du so willst.«
Sie zog ihn an, das Handtuch fiel zu Boden. Ihre Füße sahen
richtig groß aus, wie sie so unter dem Mantel hervorschauten.
»So. Zufrieden?«
»Sieh mal in den Spiegel. Erinnert dich das an irgendwen,
nasse Haare, gelber Regenmantel? So hat sie doch ausgesehen, oder?«
»Wer? Und was ist mit deinen Fingernägeln?«
»Kümmer dich nicht um meine Scheißfingernägel, Audrey.
Miranda. Miranda Grogan. So war sie angezogen, am Sonntag, nicht? Genau wie du
jetzt.«
Sie zog den Mantel enger um sich, merkte plötzlich, in
welchem Zustand sie war, in welchem Zustand ich war.
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Erzähl mir nichts. Ich weiß, was du getan hast. Meine
Tochter. Meine eigene Tochter. Diese Fingernägel? Ich arbeite jetzt für den
Teufel, ich soll dich in die Hölle bringen.«
Ich sprang vor, nahm sie in den Schwitzkasten, und sie begann,
mit der Faust auf meinen Rücken einzuschlagen. Ich bugsierte sie den Flur
hinunter, ihre Füße rutschten über die Fliesen, ihr Körper ganz warm und
locker. Sie konnte das Lime-Pickle und das Gummi riechen, wusste nicht, wie sie
das einordnen sollte, wusste nicht, was ihr bevorstand.
»Al«, keuchte sie mühsam. »Um Gottes willen.«
Ich schleifte sie zur Hintertür hinaus und den Pfad hinunter,
während sie trat und strampelte, aber sie konnte nichts ausrichten. Gaynor
stand an der Spüle und starrte uns an, aber es war mir egal. Ich zwang Audrey
auf die Knie, drückte ihren Kopf unter Wasser, und fast wäre ihr Körper
hinterdrein gerutscht. Ich hielt sie, als wäre sie ein riesiger Fisch, der sich
wand und nach Luft schnappte und mit den Flossen schlug. Als sie wieder
hochkam, stank sie modrig nach Teich.
»Du wusstest, dass es eine Lüge war, als ich gesagt hab,
ich hätte im Wagen ein Nickerchen gemacht, nicht? Du wusstest es, weil du ihn
in der Zeit gefahren hast. Miranda Grogan Gott weiß wohin gefahren hast. Was
ist passiert, Audrey, was ist passiert?«
Ich tauchte sie erneut unter, das Wasser schäumte auf.
Diesmal kam sie ganz glatt wieder hoch, das Haar strähnig. Gaynor trat in die
offene Tür, steckte den Kopf heraus.
»Na schön. Ich geb's zu. Ich hab sie mitgenommen. Na und?«
»Na und? Und das hier.«
Ich tauchte sie ein und aus, ein und aus, ihre Zähne schlugen
gegen einen Stein. Gaynor war zurück ins Haus gerannt. Die Zeit wurde knapp.
»Komm schon, Audrey, raus mit der Sprache.« Sie kam hoch,
die Lippen aufgeplatzt, und die Worte sprudelten heraus, zusammen mit dem
Wasser.
»Ich hab sie zum Bahnhof gebracht, mehr nicht. Nach unserem
Streit wollte ich hoch zum Kliff, aber dann hab ich sie an der
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