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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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Wochen bevor das alles hier anfing. Ich hatte die
Entscheidung wegen Audrey gerade getroffen, das Wie und das Wann, die Folgen
durchdacht, alle eventuellen Probleme, und ich war nicht wie sonst. Auch
Miranda war anders, richtig aufgedreht. Sie saß da und verdrückte eine ganze
Packung Kekse, redete wie ein Wasserfall. Ich hatte Mühe, mich zu
konzentrieren, schaute zum Fenster hinaus, dorthin, wo die Felder sich bis zur
Klippe erstreckten. Es war gar nicht so weit entfernt von der Stelle, wo ich es
tun wollte.
    An dem Nachmittag hatte sie jede Menge Fragen. Bedauerte
ich es, nicht mehr Kinder zu haben? Wie war das für uns, dass Carol auf der
anderen Seite der Erde lebte? Sie bewunderte Carol für diesen Schritt, dafür,
dass sie getan hatte, was sie tun musste, obwohl sie sich vorstellen konnte,
dass es ihr bestimmt schwergefallen war, uns zurückzulassen. Ich sprach es zwar
nicht aus, aber ich weiß noch, wie ich dachte, dass es Carol ganz bestimmt
nicht schwergefallen war. Ich hatte immer die Vermutung, dass Carol nur deshalb
ständig im Earl's Court herumgehangen hatte, weil sie sich den erstbesten,
halbwegs anständigen Australier schnappen und für immer abhauen wollte, nach
Sydney oder Melbourne oder wo auch immer er herkam. Es war Absicht gewesen. Man
musste sich nur die Freunde ansehen, die sie gehabt hatte, Australier,
Kanadier, der Trottel aus Neuseeland, der ein glühender Fan von Tolkien war.
Nur ein einziger Brite darunter, und der ist von einem Berg abgestürzt.
    Einzelkinder, das war Mirandas Thema an dem Tag gewesen.
War Carol am Ende nicht mit einem verheirateten Mann abgehauen? Nein, er war
nicht verheiratet gewesen. Er war im Begriff zu heiraten.
    »Egal, im Prinzip kein großer Unterschied, oder?«, hatte
sie entgegnet. »Ich meine, ihr seid doch bestimmt fix und fertig gewesen.«
    Ich konnte mir denken, worauf das hinauslief. Ich legte
meine Hand auf ihre. Es war ein gutes Gefühl, eine Vaterfigur zu sein, die
einen Rat erteilte.
    »Miranda, Schätzchen, du würdest vielleicht gerne mit Kim
durchbrennen, aber glaub mir, Kim wird nie von hier weggehen, was immer du ihm
auch versprichst. Er kann gar nicht. Ich meine nicht wegen Gaynor. Ich meine
Kim selbst, seine Natur, weil er ist, wie er ist. Er kann genauso wenig hier
weggehen, wie einer von seinen Hummern aus dem Topf springen und das Weite
suchen kann.«
    »Das weiß ich«, sagte sie. »Das hab ich immer gewusst.«
Ihre Augen waren auf einmal ganz nass. Sie holte ein Taschentuch hervor, eins
von denen, die ich ihr zum Achtzehnten geschenkt hatte, mit dem aufgestickten
goldenen M in der Ecke, und putzte sich die Nase.
    »Gott«, sagte ich. »Sieh uns einer an, wie wir hier
hocken, in diesem blöden Wohnwagen, ich fast fünfzig, du gerade mal zweiundzwanzig,
und wir schauen auf die Welt da draußen, als säßen wir im Knast.«
    »Vielleicht tun wir das ja«, erwiderte sie. »Vielleicht
wird es Zeit auszubrechen. Wir betäuben den Aufseher, springen über die Mauer
und fangen ein neues Leben in Brasilien an, oder in New South Wales.«
    Sie stand auf und begann, die Tassen zu spülen. Ich hätte
sie gern geküsst. Ich hätte sie gern in die Arme genommen, sie zu mir umgedreht
und ihr gesagt, was ich tun würde, mich von allem befreien, neu anfangen. Ich
würde sie mitnehmen, wenn sie wollte. Wir könnten zusammen weggehen. Ich
würde ihr helfen, Fuß zu fassen, wo immer es ihr gefiel. Sie könnte machen,
wozu sie Lust hätte, ich hätte nichts dagegen. Ich würde mich um sie kümmern,
mehr nicht, auf sie aufpassen. Aber ich sagte nichts. Ich nahm ein Geschirrtuch
und fing an abzutrocknen, hängte die Tassen an ihre kleinen Messinghaken.
    »Ich nicht, Äffchen. Brasilien? Ich wüsste gar nicht, was
ich da anfangen sollte.«
    »Was, bei den vielen halbnackten Frauen, die die Copacabana
rauf- und runterspazieren?«
    Ich legte den Finger an den Mund, als wäre ich in einem
schlechten Theaterstück.
    »Nicht so laut. Sonst hört Audrey dich noch. Sie hat besondere
Antennen für solche Wörter, wie eine schottische Mücke auf der Suche nach
Campern. Halbnackte Frauen! Ich darf mir ja nicht mal mehr die Sun kaufen«,
und sie lachte, Mirandas Lachen, ihr ganzer Körper lachte mit, Gliedmaßen und
Augen, alles lief wie ein Motor auf Hochtouren. Du wärst am liebsten an Bord
gesprungen, nur um die Kraft zu spüren, die da vibrierte.
    Ich lächelte noch in Erinnerung daran, als mein Blick auf
etwas fiel, das aus der Sporttasche lugte. Ein Taschentuch, ein

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