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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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kleines weißes
Taschentuch, an dem der Faden des Monogramms funkelte wie ein Leuchtsignal.
Ich zog es halb heraus, merkte dann, das irgendwas darin eingewickelt war, eine
Brosche vielleicht oder ein Ohrring. Ich faltete es auseinander. In der Mitte
lag so ein scheußlich aussehender Weisheitszahn, unten gegabelt wie eine
ausgezogene Alraunwurzel, an den Enden ganz dunkel von getrocknetem Blut und
Fleischresten. An der Seite waren Kratzer, wahrscheinlich von der Zange, mit
der er gezogen worden war. Er stank auch ein bisschen. So was gehörte eher in
den Tower von London als in irisches Leinen eingewickelt.
    »Al. Wo zum Teufel steckst du denn?«
    Herrje! Ich stopfte es in die Hosentasche, packte die Klamotten
rasch wieder ein und schob die Sporttasche unters Bett. Ich lehnte mich zurück,
bemüht, lässig zu wirken, als mein Blick auf den BH fiel, der auf der anderen
Seite der Tagesdecke lauerte wie eine Tarantel, die sich jeden Augenblick auf
meine Keimdrüsen stürzen wollte. Ich schnappte ihn mir, rollte ihn zusammen und
stopfte ihn in die andere Hosentasche, kratzte mir dabei am Verschluss das
Handgelenk auf, aber würde er bleiben, wo er war? Jedes Mal, wenn ich ihn nach
unten schob, sprang er wieder hoch, als hätte er ein Eigenleben.
    »Ich bin hier«, rief ich, als ich den BH endlich bezähmt
hatte. Ich spürte, wie mir das Herz gegen die Rippen hämmerte. Ein Zahn auf
der einen Seite, ein BH auf der anderen, und der ganze übrige Kram unterm Bett
versteckt. So ein Szenario wäre jemandem wie Audrey nicht leicht zu erklären.
Sie kam herein. Sie wirkte verstimmt.
    »Na, kleines Nickerchen, Al? Wohl doch nicht mehr so viel
Stehvermögen, was?« Ich tätschelte mir die gute alte Brust. Wumm, wumm, wumm,
wumm, wumm, wumm, wumm.
    »Wollte mich gerade umziehen. Muss mich um den Teich
kümmern. Du bist früh zurück. Ich dachte, du wolltest spazieren gehen.«
    Audrey trat neben das Bett. Major Fortingalls Sporttasche
stieß mir gegen die Ferse. Die Schwarze Witwe in meiner rechten Hosentasche
erwachte wieder zum Leben.
    »War ich auch, aber dann ist mir eingefallen, dass du gesagt
hast, die Polizei würde vorbeikommen. Mir ist lieber, wir bringen es gleich
hinter uns, als dass sie Gott weiß wann auftauchen. Wer weiß, wobei sie uns
dann ertappen.« Sie setzte sich, auf die falsche Seite. In meiner Tasche machte
Spider Woman Anstalten, sich wieder schamlos hinauszuwinden. Aus irgendeinem
Grund musste ich an Sigourney Weaver denken.
    »Außerdem«, fügte sie hinzu, »will ich nicht, dass du allein
mit denen sprichst. Du könntest was Dummes sagen.«
    »Audrey. Ich dachte, wir hätten uns abgesprochen.«
    »Was denn noch mal?«
    »Dass wir nichts gesehen haben. Dass du nichts gesehen
hast. Dass ich nichts gesehen hab. Dass du zum Kliff gegangen bist und ich
nach dir gesucht habe. In schlechter Stimmung.«
    Audrey rümpfte die Nase.
    »Das haben wir abgesprochen? Das kommt mir alles sehr
kompliziert vor, Al. Ich wüsste nicht, warum wir überhaupt sagen sollten, dass
wir draußen waren. Schließlich haben wir doch nichts gesehen, oder? Ich
jedenfalls nicht.«
    Da war er wieder, der Ausdruck in ihrem Gesicht: Wag es ja
nicht, mir nicht zu glauben. Wo zum Teufel war sie gewesen? Ich bemühte mich,
einsichtig zu klingen.
    »Ja, aber es könnte dich oben am Kliff jemand gesehen haben.
Der Pfad führt über freies Gelände. Du willst dich doch nicht bei einer Lüge
erwischen lassen, Audrey.«
    »Oh nein, auf keinen Fall.« Sie tätschelte mein Knie.
»Also schön. Wenn es dich glücklich macht. Ich bin aus dem Haus gegangen. Du
bist aus dem Haus gegangen. Keiner von uns hat was gesehen. Ein Jammer bloß,
dass wir nicht händchenhaltend unterwegs waren, dann hätten wir beide ein
Alibi.«
    »Wir brauchen kein Alibi. Wir stehen hier schließlich
nicht unter Verdacht.«
    »Noch nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich weiß nicht, ob du es mitgekriegt hast, aber es gibt
hier in der Gegend eine ganze Menge junger geiler Männer. Alle
zusammengepfercht, alle scharf drauf, was zu erleben. Eine attraktive, junge
Frau aus der Nachbarschaft, mutterseelenallein unterwegs, ist plötzlich wie
vom Erdboden verschwunden?«
    »Was, glaubst du etwa...«
    »Ich glaube gar nichts, Al. Ich meine nur, wenn sie nicht
gefunden wird, dann fangen sie an zu suchen. Und wenn sie irgendwas
Verdächtiges finden, Kleidung, Schmuck, dann stellen sie noch mehr Fragen,
bohren nach. Also, fühlst du dich wohl damit, dass du aus dem Haus

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