Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
Vom Netzwerk:
Zahnarzt
fahren sollte, Punkt Viertel vor zwölf, und das mit schneidender Beamtenstimme,
als hätte sie eine Stoppuhr in der Hand. Sie erwartete mich putzmunter. Ja, Mrs
Schnüffelnase. Nein, Mrs Schnüffelnase. Bohrer und Watteröllchen und
Saugschläuche in Schnüffelnases Mund. Das wäre mal eine nette Abwechslung. Ich
steckte eine Hand in die Hosentasche, berührte das Mysterium.
    Gegen sieben rief Mrs Burgess an und sagte die Fahrt nach
Dorchester ab. Brian hatte sich den Magen verdorben. Ich hatte die Buchung
völlig vergessen, ehrlich gesagt, aber das wussten sie nicht. Es macht mich
stinksauer, wenn jemand so kurzfristig eine Tour absagt. Kein Respekt mehr vor
dem arbeitenden Volk, daran krankt die Welt heutzutage.
    »Ein bisschen spät für eine Stornierung, Mrs Burgess«,
sagte ich zu ihr. »Ich lebe schließlich von meinem Geschäft, wissen Sie.«
    »Brian kann ja wohl kaum was dafür, dass er sich den Magen
verdorben hat, Mr Greenwood«, sagte sie, als säße sie hoch zu Ross und würde an
ihrer Nase entlang auf mich runterschauen.
    »Na, vielleicht könnten Sie ihn beim nächsten Mal bitten,
ihn sich etwas früher zu verderben, wenn ich noch nicht drei andere Buchungen
abgelehnt habe, von Kunden, bei denen sämtliche Verdauungsorgane einwandfrei
funktionieren. Ich bin sicher, das Restaurant sieht das genauso. Ein verdorbener
Magen, zwei verdorbene Geschäfte. Das stinkt mir gewaltig.« Ich knallte den
Hörer auf.
    »Allerliebst«, bemerkte Audrey mit melodischer Stimme im
Halbdunkel. »Du hast wirklich ein feines Händchen im Umgang mit deinen Kunden.«
    »Ich scheiß auf die Kunden, Audrey. Was bilden die sich
ein.«
    »Das könntest du zu deinem Motto machen, Al, >Ich
scheiß auf die Kunden<. Du könntest deinen Vanden Pias damit beschriften.
Das wäre dann wohl so was, was man in der Marketingbranche KKV nennt, einen
Komparativen Konkurrenzvorteil.«
    Später holte sie eine Flasche Rotwein, und wir leerten
sie, Glas für Glas, ohne ein Wort zu sagen. Wir hatten keine Lust auf
Abendessen. Wir hatten keine Lust auf Sex. Wir hatten auf gar nichts Lust,
nicht mal auf Zoff. Ab und an schaute ich zu ihr rüber, schaute auf ihre
Fingernägel, inspizierte ihre Fußknöchel, blickte zum Fenster hinaus, auf den
verdammten Hügel. Irgendetwas hatte sich zwischen uns verändert, aber es war
schwer zu sagen, was. Ich hatte das Gefühl, dass ich sie nie wieder würde
überrumpeln können, dass es jetzt doppelt schwer würde, sie umzubringen, nicht
das Danach, sondern die Tat selbst. Sie von einer Klippe stoßen? Ich würde
keine hundert Schritte an sie rankommen. Und selbst wenn, es würde nichts
bringen. Ich konnte sie jetzt nicht umlegen, nicht, solange ich nicht wusste,
wo sie an dem Nachmittag gewesen war. Ich überlegte, was sie wohl gemacht
hatte, wohin sie gegangen war in der Dreiviertelstunde, dass sie mich deshalb
belügen musste. Ich gestand es nur äußerst ungern ein, aber es verlängerte ihr
Leben, dieses Nichtwissen. Nicht einfach aus Neugier, sondern aus
Selbstschutz. Solange ich keine Ahnung hatte, war es zu riskant, einen weiteren
Versuch zu unternehmen. Wenn sie doch nur zum Kliff gegangen wäre. Wenn ich sie
doch nur runtergestoßen hätte, dann wäre alles andere unwichtig. Aber ich hatte
sie nicht runtergestoßen, und es war wichtig. Fast so wichtig wie Miranda.
    Ich lag wach in dieser Nacht und starrte an die Gipsplattendecke,
während in meinem Kopf die Gedanken hin und her schossen, kreuz und quer, und
Audrey neben mir wieder in einem ihrer langen Nachtgewänder langsam und gleichmütig
schlief, völlig unbekümmert. Was immer sie auch gemacht hatte, wo immer sie
auch gewesen war, es schien sie in keinerlei Weise zu beunruhigen. War das etwa
fair? Ich war derjenige, der alle Risiken auf sich nahm, aber wo blieb der
Lohn? Ein Mann plant sein Leben, bemüht sich nach besten Kräften, und dann
schlägt das Schicksal zu und macht alles zunichte. Schicksal oder Audrey, was
von beidem, war schwer zu sagen. Aber ich wusste, was mir lieber wäre.
     
    ***
     
    E he Audrey am nächsten Morgen
richtig aufgewacht war, zog ich mir meine alten Sachen an und ging raus, um
nach dem Teich zu sehen. Das hatte mir die ganze Nacht keine Ruhe gelassen.
Zwei Tage lang hatte ich nicht einen Blick darauf geworfen.
    Die Karpfen hatte Audrey mir an unserem zwanzigsten
Hochzeitstag geschenkt, das einzige Geschenk von ihr, mit dem ich wirklich was
anfangen konnte. Uhren, Armbänder, eine Woche in Alderney mit

Weitere Kostenlose Bücher